(Zeile aus Azwaw von Cheb Mami) Sonnenaufgang auf dem Assekrem im Hoggar-Gebirge ... mehr Fotos in der Bildergalerie |
Wir sind am 23.12.2001 mit einem Direktflug der Air Algerie von Frankfurt nach Tamanrasset (oder auch kurz Tam) geflogen, der Stadt der blauen Männer, wie man die Tuaregs wegen ihren meist blauen Kopfschleiern, den Chechs, nennt. Den Flug war ich etwas lätschert, ich musste auch morgens um 5:30 aufstehen und hatte bis 3 Uhr nachts noch letzte Emails an liebe Freunde geschrieben. Die Air Algerie macht genau 2 Flüge von Frankfurt in diese Gegend mit einer Boing 737 (schon für 120 Leute ausgerichtet), und zwar am 23. Frankfurt-Tam wobei dieser Flug zu 90% von Reisegruppen besetzt ist. Der Flieger geht dann fast leer zurück und holt die Reisenden dann 2 Wochen später 700 km westlich in der kleinen Dattelpalm-Oase Djanet wieder ab. Tam hat etwa 14000 Einwohner, Djanet wohl eher 4000, und das waren auch schon die einzigen Städte/Orte auf unserer Reise.
Schon die Ankunft in Tam bei Abenddämmerung war klasse. Natürlich ist die Ankunft eines solchen Fliegers ein kleines Erlebnis und es waren viele Tuaregs einfach zum schauen da. Alle in der typischen Tracht: Eine weite Hose, von der allerdings wegen dem darüberliegenden gerade geschnittenen langen Gewand nicht so viel gesehen hat. Jeder trug seinen Chech, die wenigstens sind aber wirklich ganz damit verschleiert. Meist sieht man doch neben Augen- auch die Mundpartie. Und total auffällig für mich war, dass dort soviel Lachen und Lächeln war, die Augen haben mitgelacht und geblitzt. Solche Mienen kann man auf deutschen Flughäfen lange suchen. Höflich ist es strenggenommen, wenn ein Mann einer Frau nicht die Zähne zeigt. Daher ist der Mund mit verschleiert - außer dass sich das natürlich draußen bei fliegendem Sand eh anbietet, Mund und Nase zu bedecken. Wenn ein Tuareg das ernst nimmt, muss er eigentlich dann auch verschleiert essen und trinken und diese Dinge dann von untern verschämt mit leisem Tuch-Lüften in den Mund schieben / gießen. Wenn sie einen ein bisschen kennen, nehmen sie das dann - zum Glück - nicht so genau, sonst könnte man ja nicht ihr herzliches offenes Lächeln sehen. Wenn sie kichern, ziehen sie dann aber manchmal verschämt dabei den Chech bis über die Nase, ich fand das echt putzig. Klasse war, dass alle Tuarkes in unserer Begleitmannschaft gut bis sehr gut französisch gesprochen haben, d.h. ich konnte mich wirklich auch mit ihnen unterhalten, was ich natürlich auch gerne und oft gemacht habe. Die jüngeren waren auch wirklich sehr offen und gesprächig, die älteren etwas einsilbiger, aber alle sehr zugänglich und abends saßen wir oft zusammen mit ihnen am kleinen Feuer, mit dessen Glut sie den grünen bitter-süßen Tee der Tuaregs bereitet haben, der in den kleinen Gläschen ausgeschenkt wurde: "Amer comme la vie, fort comme l'amour, douce comme la morte". Ein Ritual mit 3 Aufgüssen, das mindestens 2 Stunden insgesamt dauert bis alles mit Abgießen und immer wieder Hin- und Hergießen usw. fertig ist, und bei dem man den 3. Tee-Aufguss auch noch abwarten muss, hat man einmal den ersten getrunken, sonst wäre es unhöflich. Ich habe das total genossen dort mit am Feuer zu sitzen und einfach nur bei der Tee-Zubereitung zuzuschauen, in das Feuer zu schauen, etwas zu erzählen, zu träumen, Tee zu trinken.
In Tam hatten wir auch unsere einzige Nacht im Hotel, weil es schon spät war. Am nächsten Tag haben wir aber die Geländewagen beladen, sind losgefahren und haben ab dann nur noch draußen geschlafen. Die meisten haben schon Zelte aufgebaut, ich habe es aber bei weitem vorgezogen unter den Sternen bzw. dem Mond zu schlafen und habe mich mit meiner Matte und Schlafsack im Laufe der Zeit immer weiter von den anderen wegbegeben um das Gefühl genießen zu können, ganz allein dort unter den Sternen zu liegen. Die Milchstrasse war - solange der Mond noch nicht aufgegangen war - als leuchtendes Band zu sehen. Prominentestes Sternbild war der Orion, der abends aufging und dessen Bahn über den Zenit ich bis in die Morgenstunden verfolgen konnte. Manchmal bin ich nachts aufgewacht, etwa wenn der Mond so hell geschienen hat. Aber wie auch beim Einkuscheln in den Schlafsack war es mir fast zu schade, die Augen zuzumachen. Man hat auch so viele Sternschnuppen gesehen. Nachts war es allerdings auch frisch. Während die Temperaturen tagsüber meist zwischen 25 und 30 Grad, mal bei 35 lagen, wurde es mit Sonnenuntergang recht schattig, vor allem auch wenn Wind ging, und in der Nacht waren die Temperaturen zwischen 0 und 5 Grad. Einmal hatte ich sogar beim Aufwachen in den Dünen kleine Eiskristalle auf dem Schlafsack. Gefroren habe ich aber nie, wobei ich heilfroh um meinen Flies-Innensack war.
Die erste Attraktion war das Hoggar-Gebirge. Ein altes vulkanisches Gebirge, wo heute nur noch die Basaltkerne der Vulkanschlote stehen geblieben sind. Die sind flächendeckend über ein großes Gebiet verteilt. Alles ist voll Steine und Basaltschlote, fast gar keine Vegetation. Die Basaltkerne bestehen aus Riesenbündeln von Basaltsäulen und sind sehr beeindruckend. Besonders bekannt und pittoresk ist aber der Blick vom Assekrem (2900 m), wo auch eine Einsiedelei ist. Dort haben wir campiert, 500 m unter dem Gipfel, so dass wir dann einfach zum Sonnenuntergang und auch dann am nächsten Morgen wieder zum Sonnenaufgang dort hoch laufen konnten. Der Blick auf eine ganze Population von Basaltkernen und weiteren Erhebungen in allen Grau- bis Schwarzschattierungen vor den Farben des Morgenhimmels im Gegenlicht der aufgehenden Sonne!
Nach dem Besuch des Assekrem ging es über Piste durch Steinwüste in südliche Richtung. Ziel war das Tassili du Hoggar (Tassili heißt Höhenzug). Während Hoggar selbst vulkanisch ist, ist das Tassili du Hoggar aus Sandstein, der in allen malerischen Verwitterungsformen zusammen mit weißem Sand vorkommt. Auf dem Weg dorthin haben wir schon die ersten Felsmalereinen bzw. Felsgravuren - Giraffen - in El Ghesour gesehen, wo es bereits beeindruckende Erosionsformen gab. Das nächste Highlight war Tin-Akachaker, wie eine ganz besondere Formation des Tassili du Hoggar heißt. Rot-Gelbe Sandsteinformationen stehen inmitten von fast weißen Dünen und erinnern an Schlösser oder Sagrada Familia, ja ich hatte wirklich den Eindruck, Gaudi hätte diese Landschaft beim Entwurf einiger seiner Formationen zum Vorbild genommen. Die Dimension der Formen von Tin-Akachacker waren auch etwa die der Sagrada Familia in Barcelona. Die Oberflächenstruktur ist auch ganz interessant, wie immens vergrößerte Elefantenhaut oder auch wie grobe glasiertes Kopfsteinpflaster. Die Steinformationen lagen entlang eines kleinen Höhenrückens, von dem aber nur die herausgearbeiteten Strukturen selbst und hohe Dünen zu sehen waren. Dahinter setzte sich das Tassili fort in Form einer weiten Eben mit flachen hellen Dünen, in denen vereinzelte Steinskulpturen wie Köpfe oder Pilze stehen, das ist Tagrera. Zwischen diesen Köpfen, Pylonen, überdimensionalen Pilzen verbrachten wir den nächsten Abend und Nacht. Diese Nacht war auch sehr windig. Der Wind trieb den Sand in feinen weißen Schleiern über die Riffeln der Dünen. Das war auch die einzige Nacht, in der ich Sand zwischen den Zähnen und in den Ohren und auch sonst überall hatte, trotz völligen Einmummens in meinen Schlafsack bis nur noch ein winziges Loch zum Atmen und Sterne-Schauen übriggeblieben war und Deckung Nehmen hinter meinem Schlafsack.
Wieder sind wir durch flache Felswüste, über mehrere Kilometer breite Piste, durch Dünen, durch Felsformationen durchgefahren - einige sahen wie verbuddelte Riesenschildkröten aus, andere waren wohl mehr vulkanischen Ursprungs und hatten einen steilen langgezogenen Felsgrad mit davon rechts und links symetrisch abfallende Geröllhalden, die wie die Rücken urtümlicher schlafender Echsen wirkten. Das Fahren hat auch Spaß gemacht. Wir waren 4 Landrover für die 15 Teilnehmen plus Führer und hatten noch ein Küchenauto. Damit waren es 5 Fahrer, der Reiseleiter - Seddik, ein Tuareg, der in Marl lebt und in Tam eine Agentur betreibt - ein Koch, ein Küchenjunge und statt Karten und GPS einen alten Herrn - Segir, der unser Führer war, wobei Seddik natürlich noch 4 kundige Ersatzführer in Form unter der anderen Mannschaft hat. Man darf sich dort nicht auf einen Führer verlassen. Und da wir teils große Piste, teils aber auch ganz wenig befahrene Piste und manchmal auch einfach querfeldein, bzw. querwüsteein, gefahren sind, nur orientiert an großräumigen markanten Punkten wie ein Berg o.ä, war ein Führer auch immens wichtig. Wir sind aber nicht immer nur gefahren sondern haben auch immer morgens nach dem Frühstück 1- 2 h Morgenspaziergang gemacht, einfach in die Wüste rein bis uns die Fahrer, die inzwischen in aller Ruhe aufgeladen hatten und bestimmt noch einen Tee getrunken hatten, wieder aufgegabelt haben.
Eigentlich waren wir uns alle sicher, dass es nach Tin-Akachaker nicht mehr besser werden würde. Wir wurden aber immer wieder eines Besseren belehrt. Nächstes und letztes Ziel im Tassili du Hoggar war Tahaggart. Wieder beeindruckende Sandsteinformationen in diesmal rötlichen Sanddünen und auch von anderem Charakter als Tin-Akachacker. Während jene feiner geschliffene Formen hatten, wirkten diese archaischer, eckiger, wuchtiger. Der Eindruck nicht von Schlössern, eher Burgen oder ein Gewimmel von eckigen französischen Kaminen obenauf. Die ganze Einzel-Formation, bei der wir übernachteten, war etwa wie einige Häuserblocks groß, 50 m hoch und bis in die Höhe auch immer wieder mit Sandrampen, so dass man einfach nach oben laufen konnte. Dort habe ich gesessen, auf der einen Seite den Vollmond aufgehen sehen und auf der anderen Seite die Sonne in einem Meer solcher Dünen und Felsformationen untergehen sehen. Die Dünen silber-gelb, die Steinformationen schwarz, die Sonne hell silber-grau versinkend. Es sah aus, als beobachtete man den Sonnenuntergang am Meer.
Danacht sind wir zügig mit einem Zwischenstopp in dem Dünengebiet Erg Killian (benannt nach einem Französischen Offizier) mit wunderschönen weißen Dünen Richtung Westen Richtung Libyen und Tassili N'Ajjer gefahren. Vor dem Hang des Tassili N'Ajjer liegt die kleine Oase Djanet mit ihren grünen lichtdurchfluteten Palmenhainen. Dort sind wir zum Waschen geführt worden, was ansonsten nicht möglich war, da wir ja immer nur in der Wüste waren und Wasser kostbar ist. Von Djanet sind wir direkt bis an den Aufstiegspunkt auf das Tassili gefahren. Von dort aus sollten wir am 1.1. zu unserem 4-tägigen Hiking aufbrechen. Auf das Plateau kann man nicht mit dem Wagen fahren (zum Glück), das reduzierte Gepäck für die 4 Tage wurde auf kleine knuffige Eselchen verfrachtet.
Während wir ja Weihnachten gar nicht begangen haben, haben wir aber Silvester dort in einem kleinen Wadi toll gefeiert auch was besonders schön war zusammen mit allen Tuaregs. Wir waren in einem Wadi vor dem Aufstieg. Erst gab es ein feines Essen, dann wurde am Feuer gesessen und ausgiebig Tee getrunken. Dann haben wir ein Auto rangefahren und Musik laufen lassen, haben 3 Flaschen Sekt unter 18 Leuten geteilt, gegen Mitternacht gab es als Überraschung sogar eine Dose Bier für jeden. Sonst hatten wir ja gar keinen Alkohol auf der Reise (der hat auch überhaupt nicht gefehlt). Und dann haben wir alle zu arabisch-afrikanisch-keltischer Fusion-Musik getanzt, oder auch nur arabisch oder auch internationale Hits. Und es war total lustig und nett. Selten habe ich ein so schönes, ungewöhnliches und ausgelassenes fröhliches Silvester gefeiert.
Am nächsten Morgen sind wir auf das Plateau des Tassili N'Ajjer aufgestiegen, über sehr steinige schmale Wege, durch Schluchten, mit ein bischen Gekraxel und nach 4 Stunden waren wir oben. Und ich komme dort hoch und sehe .... NICHTS ! Das Plateau war dort, wo wir heraufgekommen waren, einfach leer, eine fast völlig ebene leere Fläche, gleichmäßig bedeckt mit kleinen Steinen. Leicht irritiert hat mich das ja schon, aber dann wanderten wir los und schon bald tauchten wir ein in die vielfältigen Sandsteinformationen, die dort flächendeckend Labyrinthe in den verschiedensten Ausprägungen formen, mit pilzförmigen Gebilden, mit Säulenwäldern mit Steinbögen, es war wirklich wieder immens beeindruckend. Zusätzlich zu dieser optischen geologischen Attraktion kamen aber noch die ganzen Felsmalereinen hinzu. Das Tassili N'Ajjer (700 km lang, 130000 qkm) ist eine der reichhaltigsten Ansammlungen steinzeitlicher Kunst aus 3 Perioden im Alter von 4000 - 10000 Jahren. Wir haben dort in den 3 Tagen auf dem Plateau sehr viele der schönen Zeichnungen von Tamrit und Sefar gesehen. Eine weitere Besonderheit und auch Seltenheit war das Tal der Zypressen. Dort ist ein Wasserloch und man wähnt sich mit dem hellgrün-grauen niedrigen Gestrüpp und den 2000-4000 Jahren alten Zypressen an einem wirklich idyllischen Ort, da der Rest des Plateaus für unser Gefühl so gut wie vegetationslos ist, obwohl es dort auch bewirtschaftete Flächen gibt mit Weiden für Kamele, von denen wir einige auch unterwegs angetroffen haben, die unbeeindruckt stoisch an einigen vertrockneten niedrigen Dornenkräutern geknabbert haben, als sei es saftiges Gras.
Zum Abschied waren wir noch einen Tag im Dünengebiet Erg Admer bei Djanet. Grosse gelb-rötliche Dünen bis zum Horizont, aufgetürmt zu einer Höhe von vielleicht 100 m. Auf der einen Seite grenzt das Dünengebiet an weitere dunkelrote Sandsteingebilde eingebettet in Dünensand ein. Auch hier wieder ein Erlebnis bis auf die Spitze der höchsten Düne laufen um dort zu sitzen und eine Stunde zu verbringen in der es nichts Wichtigeres auf der Welt gibt, als den Sonnenuntergang zu beobachten, wie die Farben und die Stimmung wechselt, wie die Sonne langsam in diesem Dünenmeer versinkt. Um mit dem kleinen Prinzen zu sprechen "Il faut toujours regarder les couches de soleil".
Ach, und dann hieß es Abschied nehmen und es ging wieder mit der Air Algerie nach Hause. Ich hatte einen Fensterplatz und bis hinter die Alpen war der Himmel klar, die ganze Strecke bis zur Algerischen Küste konnte ich den Blick nicht von dieser faszinierenden Landschaft wenden.
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