Wer hat noch nicht von dem Kilimanjaro geträumt. Als Kind habe ich ihn gesehen als eindruckvollen Hintergrund von Tiergeschichten aus dem Amboseli-Nationalpark. Später dachte ich eher an eine Besteigung dieses höchsten Berges Afrikas mit seinem riesigen flach ansteigenden Fuß und seiner weißen Haube aus Schnee und Gletschereis. ... mehr Fotos in der Bildergalerie |
Ich weiß nicht ob es das schlechte Wetter im Sommer war, oder ob ich nur einfach mein Fernweh nicht genügend ausgetobt hatte. Jedenfalls wuchs im Herbst in mir die Sehnsucht nach einem großen Himmel über mir, und den habe ich - wieder mal über Weihnachten und Neujahr - auf zwei großen Bergen Afrikas gesucht, den Vulkanen Mount Kenya und Kilimanjaro. Und dann habe ich gebucht und festgestellt, dass Mount Kenya viel mehr Zauber hatte als der Kilimanjaro, der das eigentliche Ziel meiner Träume gewesen war.
Zwei Giganten stehen auf unserem Programm. Zunächst Mount Kenya, bei dem wir "nur" einen Nebengipfel von 4900 m Höhe besteigen wollen, da der Hauptgipfel für uns Amateure bei weitem zu schwierig wäre. Bei der Umrundung des Gipfels werden wir aber länger auf 4500 m und höher sein, so dass diese Bergtour eine perfekte Akklimatisation ist für die darauf folgend geplante Besteigung des 5900 m hohen Kilimanjaro, auch Kibo genannt.
Vulkane im Herzen Afrikas |
Von Nairobi aus bringen uns Jeeps zu einer Lodge am Fuß des alten Schildvulkanes. Bei der Anfahrt auf den Berg fällt wie später auch beim Kibo zunächst die für Schildvulkane typische kolossale Breite des Berges auf, der sich ganz allmählich aus der Ebene erhebt. Ganz in der Ferne nur erkennen wir den felsigen Aufbau des Vulkans, der die Umrundung der Spitze so interessant macht.
Am nächsten Morgen starten wir unsere Bergtour auf 2000 m Höhe an der Baumgrenze und laufen in die Savanne hinein. Weit ist das Land, kein anderer Berg in der Nähe an den sich das Auge heften könnte, eine ganz neue Bergerfahrung. Ungehindert schweift der Blick über das Grasland, das sich hinter uns und zu beiden Seiten sanft abfallend in die Ebene zu zerfließen scheint. Und ich atme tief die Weite der Landschaft und die Größe des Himmels über mir, genau wie ich es mir erträumt habe. Weit hinten ist als kleiner Kegel mit Zucker obenauf der Gipfelaufbau zu erkennen, und ich wundere mich, wie wir in nur zwei Tagen bis dorthin kommen sollen. Wir erspähen in der Ferne eine Gruppe Zebras, die hier trotz eisiger Temperaturen leben. Frühmorgens hat sich die Feuchtigkeit der Nacht als Raureif auf unseren Zelten niedergeschlagen.
Am nächsten Tag kommt der Gipfelbereich doch rasch näher und wir stoßen auf die ersten Riesenlobelien, von denen es hier mehrere Arten gibt. Eine kleinere Art haben wir schon weiter unten in einem kleinen Sumpf angetroffen, mit schlanken hohen Kerzen, die tief in Hüllblättern geschützt die weissen Blüten bergen. Diese hier (Lobelia Deckenii) sind noch viel imposanter. Eindrucksvoll gefärbt mit grün-violett changierendem Blattrosetten am Boden, massiven bis über zwei Meter hohen Blütenständen in der gleichen wundervollen Färbung mit tief verborgenen violett-schwarzen Blüten stehen sie in den feuchten Grashängen. Die tief in die Hüllblätter eingelassenen Blüten und die Fähigkeit der Blattrosetten, sich in der Nacht schützend über die empfindlichen Triebe zu legen, sind Adaptionen der Pflanzen an die hohe UV-Strahlung sowie die kalten Nächte. Eine andere ebenfalls riesige Lobelienart (Lobelia Telekii) löst das Problem mit langen Haaren, die den Blütenstand von oben bis unten bedecken und sie wie einen Hippie erscheinen lassen.
Eine andere ebenfalls beeindruckende Pflanze, die uns nur wenig später begegnet ist die Baum-Senecie, eine Art Riesenkreuzkraut, deren abgestorbene Blätter der Pflanze allmählich eine Art Stamm und Krone wachsen lassen. Diese beiden Pflanzen begleiten uns bis fast ganz hinauf zum Gipfel des Berges und faszinieren immer wieder durch ihr majestätisches und pittoreskes Aussehen. Unser nächstes Lager schon in greifbarer Nähe des Gipfels ist inmitten einer sumpfigen Wiese umgeben von ganzen Kolonien dieser prachtvollen Pflanzen.
Unsere letzte Station vor der Umrundung des Gipfels ist eine größere Lodge auf 4000 m, in der wir viele weitere Gruppen von Bergwandern treffen. Bis dahin sind wir fast völlig allein gewesen. Die Umrundung führt durch felsiges Gebiet, über kleine Pässe, vorbei an Bergseen in rauer Umgebung, an Steilwänden entlang. Die rasch aufziehenden Wolken machen die Blicke auf die Bergflanken und die Gipfel noch dramatischer. Dann kommen an unserer letzten Station vor dem Aufstieg zum Nebengipfel an. An der Lodge begrüßen uns zutrauliche Klippschliefer, die zwar wie Murmeltiere aussehen, aber viel näher mit den Elefanten verwandt sind.
Nachts um 3:00 ist Wecken. Das finde ich fürchterlich früh, mir ist überhaupt nicht nach frühstücken. Zum Glück wusste ich da noch nicht, wie früh wir auf den Kibo aufbrechen würden. Die Nachtwanderung erlaubt mir zwar keinen Landschaftsgenuss, aber über uns leuchten die Sterne mit einer bei uns unbekannten Intensität. Die wenigen Stunden bis zum Sonnenaufgang vergehen rasch und kurz drauf sind wir auch schon an unserem Nebengipfel Lenana (4985 m) angekommen und haben einen wundervollen Rundblick auf die von der Morgensonne angestrahlten Hauptgipfel Batian (5199 m) und den in sanften Wellen und zerklüfteten Schluchten in die Ebene abfallenden Berg um uns herum.
Der Abstieg erfolgt entlang einer wunderschönen Schlucht, in die sich immer neue Ausblicke ergeben. Eine weitere Übernachtung, nun in den tieferen Regionen und schon laufen wir dem Ausgang des Parks entgegen. Noch etwas Aufregung als wir Spuren von Elefanten im feuchten Lehm des Weges entdecken, dann sind wir auch schon am Ende unserer Mount Kenya Tour angekommen.
Vor der Besteigung des Kibos gönnen wir uns noch einen Abstecher in den am Fuß des Berges gelegenen Amboseli-Nationalpark. Schon auf der Hinfahrt von Nairobi, wo wir schnell von der Asphaltstraße auf die Staubpiste durch das Massai-Gebiet abgebogen sind, haben wir wilde Tiere gesehen: Giraffen, eine Riesentrappe, eine Gruppe Paviane. Die größte Attraktion aber waren die Massai selbst mit ihren Zebu-Herden. Immer wieder sehen wir die hoch aufragenden stolzen Gestalten mit ihrem Hirtenstab und ihren roten Gewändern. Witzigerweise scheint sich bei ihnen auch das Fahrrad einer großen Beliebtheit zu erfreuen.
Und dann sehen wir auch den Berg, den Kibo. Das heißt, eigentlich sehen wir ihn nicht, nur einen gigantischen dunkelblauen Fuß, der bald in den Wolken verschwindet. Will man den Kibo in aller Schönheit sehen, muss man früh aufstehen. Morgens um 8:00 ist der Gipfel noch frei, wenig später aber ziehen Wolken auf und ab spätestens 10:00 hüllt sich der Berg in Wolken. Bei unserem Aufbruch zur Photosafari sind wir früh dran und haben einen herrlichen Blick auf den Berg.
Vor unserer Fahrt in den Park dachte ich noch, hoffentlich sehen wir auch einen Elefanten. Und dann sahen wir nicht nur einen, sondern Hunderte davon. Unsere Fahrer wussten, wo die Tiere auf dem Weg zum Baden in den Sümpfen die Straße kreuzen würden und so liefen ganze Gruppen direkt um unsere Fahrzeuge herum. Aber nicht nur Elefanten bestaunen wir, sondern auch Büffel, Gnus, Zebras, Strauße sowie Gazellen und Antilopen waren zu sehen. Einen schlafenden Löwen haben wir auch mindestens 10 Minuten lang betrachtet, aber auch bei angestrengtem Hinsehen konnte ich nicht die kleinste Ohrspitze im Grass erkennen.
Ein Highlight ist auch der Besuch eines Massai-Dorfes, das hierfür prachtvoll gerüstet ist. Ganz traditionell gebaut, das einzige Fahrrad hinter einer Hütte versteckt, der Jeep des Dorfes außerhalb geparkt, vermarkten sich die Einwohner ganz hervorragend. Jeder Besucher zahlt 10 Dollar, dafür erhält er eine Führung in exzellentem Englisch durch einen der Dorfbewohner, den er alles fragen darf was er will. Fotografieren ist natürlich inbegriffen. Erst finde ich es etwas merkwürdig, aber dann denke ich, warum nicht und frage interessiert nach allen Gebräuchen, Freundschaften, Frauen, Größe der Herden usw. Das Geld wir angeblich in die Ausbildung der Kinder investiert, die auch in Reih und Glied antreten und je nach Alterklasse auf englisch vorzählen oder die Wochentage oder Monatsnamen aufsagen. Die Krieger sind prachtvoll herausgeputzt, die Haare geflochten und geziert, und über und über mit Schmuck behangen, den - nach Auskunft - die Freundinnen oder die Mutter gefertigt haben. Bei den Frauen ist Glaze en Vogue und sie sind nicht ganz so geschmückt wie ihre Krieger. Die Alten sitzen gelassen im Schatten, einer hat eine Zahnpastatube durch das Loch im langgezogenen Ohrläppchen gesteckt, ein anderer hat das Ohrläppchen einfach über das restliche Ohr gestülpt.
Der Berg ruft und wir brechen zum Gipfelsturm auf den Kibo auf. Diesmal starten wir im Nadelwaldgürtel auf 2100 m und gelangen langsam in offeneres Gelände, ähnlich den Savannen des Mount Kenya. Für unserem Weg hinauf wählen wir die wenig begangene Nordroute, auf der wir auch nur auf eine weitere französische Gruppe stoßen.
Für mich enttäuschend ist die zunehmende Demystifizierung des Berges, je höher wir kamen. Je offener der Blick auf den Gipfelbereich wird, je näher er kommt, umso deutlicher sieht man, dass es sich im wesentlichen um einen Aschekegel mit Krater darin handelt, den wir von unten allerdings nicht sehen können. Die bizarre Landschaft des felsigen Aufbaus des Mount Kenya bleibt hier ohne ähnlich beeindruckendes Äquivalent. Nicht einmal die Gipfelgletscher konnten diesen Eindruck bei mir wettmachen.
Trotzdem bietet der Aufstieg auch eindrückliche Momente. Die Kargheit der Landschaft als auch noch die Wolkenfetzen von oben zu uns herunterjagen. Der Blick von unserer letzten Hütte auf 4800 m über den Sattel aus Aschefeldern auf den 1000 m niedrigeren Zwillingsgipfel, der im anderen Zentrum der Ellipse tront.
Und dann natürlich der nächtliche Aufstieg. Wecken um 24:00 ist eigentlich gar nicht notwendig, da ich in dem Massenlager eh fast kein Auge zugemacht habe. Das unzeitige Frühstück ist für mich noch grässlicher als beim Aufbruch zum Gipfel des Mount Kenya und um 1:00 geht es los. Es ist dunkel, eisig kalt. Nach einer Stunde stoßen wir auf die Hauptrute, die sich auf der Südseite Serpentine um Serpentine den Aschekegel hinaufwindet. Über die ganze Strecke verteilt erkennen wir Ketten von Lichtern, die sich wie Glühwürmchen den Berg hinaufkämpfen.
Wir reihen uns ein in diesen Pilgerzug und erkennen schnell, wie viel uns die Akklimatisierung auf dem Mount Kenya gebracht hat. Schnell ist die eine oder andere Gruppe überholt. Auch wenn es mir nicht grade blendend geht und ich mich frage, wie ich in dieser Kälte und dem Auftrieb meine primären Körperbedürfnisse befriedigen soll, so sind wir doch rech flott oben am Grad des Kraters angekommen. Wenig später geht die Sonne auf und versöhnt mich mit der Tatsache, dass ich hier so viele Stunden im Dunkeln durch die wundervolle Landschaft stapfe ohne eine Möglichkeit, sie auch zu bewundern.
Nunmehr im Hellen geht es am Kraterrand entlang zum höchsten Punkt (5,895 m). Mir scheint, dass hier Heerscharen hintereinander herlaufen. Schon um 7:00 erreichen wir den höchsten Punkt. Ganze Menschenmengen stehen hier für das Gipfelphoto an und verübeln uns, dass wir den schönen Schein, sie seien die Einzigen dort oben, durch ein Posieren auf der anderen Ecke des Schildes vereiteln. Hier verweilen wir nicht lange, auch weil mir die Höhe schon etwas zu schaffen macht. Also wieder den Grad entlang und dann aber mit Speed auf direktem Weg die Aschehänge hinuntergelaufen bzw. auf den Schuhsolen abgefahren, bis zu der riesigen Lodge, in der sich der Löwenanteil der Kibo-Besucher vor dem Aufstieg einquartieren.
Natürlich bin ich stolz, es geschafft zu haben, aber auch irgendwie enttäuscht. Dieser Menschenauflauf, der Berg eine Schutthalde, die Gletscher nur noch Schatten ihrer Selbst, die im Staub langsam vor sich hintauen, sechs Stunden Anstrengung in der Dunkelheit ohne Naturgenuss, und dann um 9:00 schon wieder unten? Naja, nicht ganz. Zum Glück bleiben wir nicht hier in diesem Massenquartier sondern laufen nach Sammeln der Gruppe und einer Rast weiter hinab bis zu unserem Zeltplatz auf 2500 m. Tags drauf verlassen wir den Park und werden zu einem netten Hotel gebracht, wo wir mit etwas Bummeln in der Stadt und über die afrikanischen Märkte die Reise ausklingen lassen.
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