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Etappen |
Nach frühem Aufstehen geht die Zugfahrt zum Flughafen Frankfurt durch eine von Raureif verzauberte Winterlandschaft. Trotzdem freue ich mich, als der Flieger durch den Hochnebel stößt und endlich mal wieder der blaue Himmel zu sehen ist. Wir haben Glück und die Wolkendecke reicht nur bis knapp südlich des Rhein-Main-Gebiets. Dann sind die teils schneebedeckten Vogesen unter uns zu sehen, links erheben sich bald prachtvoll die Alpen, später erspähen wir das Massive Central und auch die Pyrenäen tauchen auf dem Weg nach Südosten unter den Flügeln auf. Dann verhüllen wieder Wolken die Sicht, aber einen kurzen Blick auf die afrikanische Küstenlinie gönnen sie uns doch.
Unser Anflug auf Casablanca fällt in die Dämmerung, dort dann hektisches Umsteigen zum kurzen Flug nach Quarzazate. In der Dunkelheit glänzen die schneebedeckten Berge des hohen Atlas geheimnisvoll silbrig-violett unter uns. Im stilvollen Hotel beschließen wir den Tag mit einer köstlichen Tanjine, dem National-Gericht Marokkos, dazu einen süffigen Wein aus der Gegend von Casablanca, danach träumen wir dem ersten Urlaubstag entgegen.
Schönes Wetter am Morgen. Im Norden erblicke ich von der Frühstücksterrasse unseres Hotels voll Freude die schneebedeckten Berge des Hohen Atlas. Erst mal geht es zur Bank zum Geldwechseln, danach besichtigen wir gleich als ersten Programmpunkt die Kashba von Taourirt in Quarzazate. Kashbas sind mächtige Burgen und Festungen aus Stampflehm, die mit den Jahren wachsen und mehrere Familien beherbergen können. Sie können einige Stockwerke hoch werden und werden typischerweise von vier mächtigen Türmen im Geviert bewacht. Die gesamte Konstruktion wirkt äußerst wehrhaft, massiv, schlicht und archaisch im unteren Bereich, nach oben hin schlanker werdend, die Mauern der oberen Stockwerke sind mit geometrischen Mustern verziert. Die schön renovierte Kashba von Taourirt besteht im Inneren aus einem Labyrinth aus Zimmerfluchten und engen Treppenaufgängen, aber auch einigen wenigen größeren repräsentativ ausgestatteten Zimmern. Dann drängt unser Führer zum Aufbruch, der König will heute hierher kommen und daher suchen wir lieber rechtzeitig das Weite.
Wir brechen wir auf und fahren das Dades-Tal entlang auf der Straße der 1000 Kashbas Richtung Osten, immer entlang des Atlas. Immer wieder sind in den Orten und auf exponierten Stellen Kashbas in unterschiedlichen Erhaltungszuständen zu sehen. Mit ihrer Erdfarbe passen sie sich farblich vollständig in die Landschaft ein. Zwischendurch besichtigen wir nochmals ausführlicher die 700 Jahre alte Kashba Amerhidil, laufen treppauf und treppab durch die engen dunklen Räume, der Boden unter uns weich und leicht federnd durch die Holz-Lehm-Konstruktion der Decken, etwas ungewohnt für Bewohner von Häusern mit Betondecken.
Im Tal der Rosen machen wir Rast und gönnen uns den köstlichen, bitter-süßen grünen Tee mit Minze und nutzen natürlich die Gelegenheit, die einheimische Wirtschaft zu fördern. Wir erstehen duftende Essenzen und Rosencreme sowie einige Versteinerungen, die hier überall angeboten werden. Über Boumalne fahren wir nach Tagdit, dem Ausgangspunk unseres Treckings. Die vorgelagerten Berge des Atlas changieren in allen Erdtönen, gefleckt von den bläulichen Schatten der Kumulus-Wolken, die über sie hinweg jagen.
Die Nacht verbringen wir in einer einfachen Gite d'Etappe in Tagdit. Unsere Begleitmannschaft mit den Mulis ist auch schon da. Vor dem Abendessen laufen wir noch auf den kleinen Hügel hinter dem Dorf, bestaunen das wechselnde Lichtspiel von Sonne und düsteren Regenwolken auf der gegenüberliegenden Kette des Hohen Atlas, darüber dramatische Wolkenformationen. Immer mal wieder erhaschen wir einen Blick auf einen hohen weißen Gipfel oder eine Schneewand, die in den Wolken endet. Wie ein Gespinst aus kupfernem Licht leuchten die spärlichen Kräuterbüschel auf den schwarzen steinigen Bodenwellen in der tiefstehenden Sonne.
Nach Sonnenuntergang wird es ganz schön frisch, draußen wie drinnen, das Gebäude ist wie generell alle Häuser in Marokko ungeheizt. Ich denke schon mit Grauen an das Trecking, wo wir ja nur Zelte zur Verfügung haben werden.
Früh beim ersten Licht wache ich auf. Ein strahlender violetter Himmel mit schmalem gelben Streifen am Horizont zeigt den beginnenden Tag an, wird zum gläsernen blauen Gewölbe über der großartigen Landschaft, der Hohe Atlas erhebt sich gleich einer mächtigen Wand hinter dem breiten Tal des Dades im frühen Licht. Zum Glück ist es bereits in der frühen Sonne angenehm warm. Neugierig schauen wir noch ein wenig dem Beladen unserer Maultiere zu, dann brechen wir wohl gelaunt auf.
Während wir allmählich zu unserem ersten Pass im Djebel Saghro aufsteigen, bieten sich immer wieder prachtvolle Blicke zurück in das breite Tal des Dades und die Berge des Hohen Atlas dahinter, die mit einer schmalen Schnee-Linie gegen den strahlend blauen Himmel gemalt sind, die höheren gleißen mit weißen Schneewänden im Licht. Weiter oben wird die Kargheit von einem lockeren Bewuchs von Wachholderbäumen unterbrochen, es riecht würzig, nicht nur nach den dunklen Nadeln sondern auch nach den duftigen Kräuterbüschen. Die Luft ist klar und frisch. Kurz unterhalb des Passes auf 2200 Metern wird uns das Mittagessen vor einer prachtvollen Aussicht auf den Hohen Atlas serviert.
Danach ist es nicht mehr weit bis zum Lager. Hinter dem Pass wechselt das Landschaftsbild dramatisch und wir wandern in eine felsige bizarre Gebirgslandschaft hinein. Tief unten in einem kleinen Tal haben die Maultiertreiber schon unsere Zelte aufgebaut. Zum Glück gibt es auch ein Gemeinschaftszelt, ausgelegt mit Matten, wo wir Tee trinken, von Daniela Märchen vorgelesen bekommen, über Religion, Gott und die Welt im Allgemeinen und die Berber und die Araber im Speziellen diskutieren und dann unser Abendessen einnehmen. Obwohl wir ungefähr alles angezogen haben, was wir an warmer Kleidung, langen Unterhosen und Vließ-Pullis dabei haben, kriecht die Kälte ins Zelt und vor allem in unsere Füße. Daniela tröstet uns, dies wird unsere kälteste Nacht werden, die übrigen Nachtlager liegen tiefer. Bald nach dem Abendessen verziehen wir uns in die Zelte und in unsere warmen kuscheligen Schlafsäcke.
Die Nacht war kalt, morgens bedeckt Reif die kargen Pflanzen und Zelte, es ist knapp unter Null. Wieder bin ich erstaunt, wie schnell man doch trotz der Kälte morgens auf Trapp und Temperatur kommt. Noch bevor die Sonne den Talboden erreicht, brechen wir auf.
Unser erstes Etappenziel ist der Aussichtsberg Kahuach, 2590 Meter hoch. Die letzten Meter legen wir kletternd zurück, oben belohnt eine tolle Rundumsicht in die weite Landschaft. Im Norden prangt zum letzten Mal die schneebedeckte Kette des Hohen Atlas. Mohammed zeigt mir den Mgoun, ein Viertausender, den ich vor vielen Jahren auf meiner großen Atlas-Durchquerung bestiegen habe. Im Süden sind hinter den markanten Tafelbergen des Djebels weitere Ketten zu sehen, die im blauen Dunst verschwinden. Dort, so sagt Mohammed, beginnt die Sahara.
Direkt am ersten Tafelberg machen wir Mittag. Wie jeden Mittag gibt es wieder große Mengen leckeren Salates, alles frisch geschnipselt, dazu gekochten Reis und Fisch. Danach ist Faulenzen und Dösen in der Sonne angesagt. Schon von diesem Rastplatz sieht der Tafelberg mächtig aus. Aber erst beim Weiterwandern erschließt sich die ganze Pracht dieser Landschaft. Wie archaische Festungen und Burgen eines Riesengeschlechtes erheben sich diese Giganten rechts und links von uns, dominieren in der Ferne die Landschaft. Wie Fremdkörper ragen ihre senkrechten Sandstein-Flanken aus dem Granit, massive Mauern, gigantische Pfeiler, einzeln oder gebündelt wie Orgelpfeifen, auch mal ein Erker, an der Oberkante deuten sich Zinnen an. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Mächtige Blöcke haben sich von diesen Giganten gelöst und bedecken die abfallenden Flanken. Überraschen kommen weitere Gesteinsarten dazu, blasige mit Drusen durchsetzte Schichten und dann lebhaft gelbes bis orangenes Gestein mit glatten wie polierten Bruchflächen. Ein Kalkgestein, von orange bis rot changierend, stürzt sich wie ein Wasserfall zwischen zwei Tafelbergen zu Tal. An seinem Fuß steht schon unser Lager in der Oase Igli, vor dieser prachtvollen Kulisse. Meine mentalen Freuden werden dort durch den Genuss einer wirklich heißen Dusche noch gesteigert.
Ohne größere Steigungen geht es dahin über eine Hochfläche mit weiten Blicken über das Land. Hinter uns sehen wir noch lange die Sandsteinburgen, vor uns liegen lang gestreckte Tafelberge und Höhenrücken. Plötzlich liegt in der nächsten Senke in all dieser unwirtlichen Einsamkeit ein kleines Haus aus Stein, Ton in Ton mit dem umgebenden Geröll, daneben fast unsichtbar im Gelände ein paar wenige terrassierte kleine Anbauflächen. Kaum vorstellbar für uns, dass hier eine Familie leben und sich von dem was sie anbaut und was ihre Ziegenherde abwirft ernähren kann. Kurz darauf treffe ich am Weg vermutlich den Familienvater, der einige wenige aber schöne Mineralien anbietet, und dem ich natürlich ein paar Kristalle abkaufe. Wenig später sitzt ein kleines Mädchen am Wegesrand mit den landestypischen bunten Bommeln aus Wollfäden, Perlen und Pailletten. Hier kann ich natürlich auch nicht nein sagen und fortan schmückt eine bunte Bommel meinen Rucksack. Im Verlauf der Wanderung verkaufen immer wieder Frauen und Mädchen diese Bestandteile der lokalen Tracht am Wegesrand. Und so wie unser Tross voran kommt, so sind einige von uns immer üppiger mit diesen bunt glitzernden Anhängseln geschmückt, wobei es wohl keiner mit Marcello aufnehmen kann, der keine Gelegenheit auslässt, der einheimischen Bevölkerung zu einem kleinen Zusatzverdienst zu verhelfen.
Es geht hinab in eine Schlucht, die Wände aus geometrisch in rechtwinkligen Würfeln geborstenem Stein, wie alte Pyramiden-Rümpfe, unten im Talgrund ein Fluss im breiten hellen Steinbett und eine Oase, das Grün der Felder und Bäume kontrastiert mit dem Braun-Rot-Schwarz-Gelb-Tönen der Felsen.
Das Tal wird enger, die Felswände rücken zusammen, vielfach überqueren wir den seichten Wasserlauf über Trittsteine, um unseren Weg durch die Schlucht zu finden. Die Steine im Flussbett faszinieren mich: immer wieder blutroter Porphyr, große vom Wasser geschliffene Blöcke von hellgrauem Granit, durchsetzt mit Drusen aus schwarz-weißen Einschlüssen, wie zufällige Tierzeichnungen, fliehende Pferde, Kaligraphien in Stein.
An der engsten Stelle erfordert es einige Geschicklichkeit oder Waghalsigkeit, sowie die zupackende Hilfe von Daniela und Mohammed um uns trockenen Fußes über die großen glitschigen Steine zu lotsen. Danach öffnet sich das Tal und es ist nur noch ein kurzer Weg bis zu unserem Tagesziel an dem Tor des Ali, Bab Ali, das fälschlicher Weise als Ali Baba Tor bezeichnet wird. Das Tor sind zwei mächtige Sandsteintürme, der eine monolithisch, der andere breiter mit einigen Nebentürmen. Leider haben sich dunkle Wolken zusammengebraut, diese schöne Tor in der Landschaft hätte eine bessere Beleuchtung verdient.
Nachts regnet es. Ich höre die Tropfen auf dem Zelt und bete inständig, dass es morgens vorbei ist. Beim Aufstehen sieht es auch erstmal gut aus, aber dann überrascht uns doch noch ein Schutt mitten beim Abbauen der Zelte. Als bunter Wurm zieht unsere mit farbenfrohen Regenjacken, Regenhosen und Rucksacküberwürfen ausgerüstete Truppe über das graue Fels-Plateau. Zum Glück verziehen sich die dunklen Regenwolken schnell und es wird wieder sonnig.
Die erste Schlucht hat sich in schräg stehende Schichten rot-braunen bröckeligen Gesteins eingegraben, ein Zickzack von Linien, das Dreieck beherrscht die Komposition, alles wie mit Rötel angemalt. Unsere Maultiere überholen uns im flotten Trapp, ihnen scheint der bröckelige Untergrund zu behagen, der schräge Hang stört sie in keinster Weise. Im Talgrund wachsen vereinzelt Dattelpalmen, immer wieder ein kleines Wunder solches Grün in wüstenhafter Kargheit zu sehen.
Hinter der Schlucht gibt es wieder einen weiten Blick über Ketten von Höhenrücken, teils wieder gekrönt von Sandsteinpfeilern wie eine Batterie von Orgelpfeifen. Die nächste Schlucht ist breiter und gibt Raum für eine kleine Oase. Der Fluss besteht aus dünnen Rinnsalen von Wasser, die über breite ausgewaschene Steinstufen laufen, wieder dieser wunderschöne hellgraue Granit, gemustert mit den schwarz-weißen Tierminiaturen.
Wir wandern durch weite Landschaften, in unserem Rücken ist noch lang der eine Turm des Ali Bab zu sehen. Wir zelten in einem breiten Tal, wo sich viele Oasen aneinander reihen. Hier sehen wir auch nach Tagen wieder das erste Auto.
Wir wandern kurze zwei Stunden durch das Tal nach Handour, immer durch das steinige Flussbett. Wenn keiner der anderen in der Nähe ist, ist es fast still, leise gluckst das Wasser, das seicht im Flussbett fließt, Schwälbchen fliegen über die Steine und zwitschern in den Dattelpalmhainen.
In Handour erklimmen wir den Hang zum Plateau, verabschieden uns von unserer Begleitmannschaft, steigen wieder in unsere Kleinbusse und düsen davon. Noch etwas Piste aber dann geht es zügig auf Asphaltstraßen Richtung Dra-Tal und dann das Dra-Tal gen Süden. Der Dra ist gesäumt von einem breiten grünen Band von tausenden und abertausenden von Dattelpalmen. Dazwischen liegen große und kleine Siedlungen in Stampflehm-Architektur, teils umgeben von Lehmmauern mit schön verzierten Toren, immer mal wieder dazwischen eine Kashba.
Richtung Süden wird das Tal breiter, eine von den steinigen Abbruchkanten eines Plateaus gesäumte Ebene, in der sich das grüne Band der Palmen nach Süden zieht. Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir in Oulad Driss am Ende der Straße und unserem Ausgangspunkt für das Kamel-Trecking an.
Die nächsten drei Tage ziehen wir mit Kamelen durch die Wüste, trotten über flache Steinwüsten-Abschnitte, stapfen durch tiefe Sand-Strecken, laufen Dünen hinauf und hinab. Mal sind wir es selbst, die marschieren, mal tragen uns die Kamele. Ein bisschen ist es so als verlöre die Zeit in dieser Umgebung ihre Bedeutung, daher gibt es für diesen Abschnitt auch keine Tagesberichte sondern nur ein Gesamtbild.
Trotzdem ist natürlich der Anfang spannend, als morgens die Kameltreiber mit unseren Reittieren, den Dromedaren eintreffen. Die Kamele maulen und jammern, protestieren und klagen was das Zeug hält, während sie niederknien müssen, gesattelt und beladen werden. Endlich steigen die ersten mutigen Reiter auf und sofort erheben sich die Tiere, hören mit dem Gejammere auf und schauen teils gleichmütig mit ihren sanften großen dunklen Augen mit den langen Wimpern, teils hochnäsig über die Wanderer hinweg. Dann setzt sich der gesamte Tross in Bewegung.
Wir Wanderer haben es schwer, mit den Tieren Schritt zu halten. Zwar schreiten sie sehr gemessen daher, aber sie haben ja auch einfach viel längere Beine. Irgendwann hat sich der Rhythmus dann eingespielt, jeder geht seinen Tritt, die Karawane wartet dann und wann auf die Fußgänger, wer will wechselt mit den Reitern und zum Mittag und Abend trifft man sich eh.
Mal geht es über niedrige Dünen, mal über flache öde Steinwüsten. Immerhin kann man sich dort nach Steinen umschauen. Rasch stellen wir fest, dass in den dunkelblau-schwarz Glänzenden fast immer feine weiße Versteinerungen ganzer Schwärme von kleinen Kopffüßern zu finden sind. Vereinzelt finden wir auch versteinerte Muscheln und Korallenstücke. Die Dünen-Passagen machen mehr Laune, auch wenn das Laufen im tiefen Sand viel anstrengender ist als auf der festen Ebene. Stattliche blass-grün-blaue Tamarisken krönen viele der niedrigeren Sandhügel, schmackhafte Nahrung für unsere Dromedare in der Mittagspause. Erstaunlich sind auch andere kleinere Pflanzen ideal an diese scheinbar lebensfeindliche Umgebung angepasst wie etwa die Rose von Jericho, die hier und da den trockenen Boden mit ihrer kleinen braunen Krallenhand durchstößt, darin die Samen gehalten werden und auf die nächste Regenperiode warten.
In den drei höheren Dünen-Regionen, die wir durchqueren und wo wir auch unsere Zelte aufbauen, faszinieren die großräumigen wie kleinräumigen Muster der Wüste immer wieder aufs Neue, insbesondere bei tiefstehender Sonne: die vielfach geschwungenen Linien der Dünen-Kämme mit ihren eleganten Schattenwürfen ebenso wie die Wellenmuster der Sandriefeln an ihren Flanken.
Morgens stehen wir wie stets bei Sonnenaufgang auf. Ich fotografiere nochmal ausgiebig unsere Kamele, ihre edlen Züge, die sanften Augen, aus denen sie mein Tun neugierig beobachten. Dann ziehen sie mit den Kameltreibern von dannen und wir werden von Jeeps abgeholt. Achtzig Kilometer über Piste, ein Gefühl von Paris-Dakar: Erst kurven wir durch tiefen weichen Sand, dann brettern wir in einer Falanx-Formation über den großen ausgetrockneten See südlich des Djebel Bani. Bei einem Stopp stehen wir inmitten des blau-schwarzen Gesteins, das die vielen versteinerten Kopffüßer enthält. Jeder Steinbrocken und Felsklotz ist davon durchsetzt.
Weiter geht es auf der Teerstraße, Akazien wachsen in den flachen Tälern zwischen den Höhenzügen, ab und an überraschen ausgedehnte Oasen mit hunderten von Dattelpalmen an den Hängen der staubtrockenen Geröllhalden. Wir durchqueren den Djebel Bani an der Stelle, wo ein breiter salziger Fluss über Steinstufe läuft. So viel Wasser in diesem trockenen Land. Danach folgen interessante Badlands in der Lehm-Schwemm-Ebene des Flusses, der Anti-Atlas begleitet uns als hohe blaue Bergkette im Norden. Nach weiteren schläfrigen Kilometern rollen wir in Tata ein und beziehen unser hübsches Hotel. Eine Wonne, den Staub und Sand der letzten Tage mit einer heißen Dusche abzuwaschen und auch die trockene Kehle mit ein bis mehreren kühlen Bier in geselliger Runde am Pool zu spülen.
Am nächsten Tag fahren wir Richtung Norden durch den Anti-Atlas. Dieses trockene Gebirge begeistert mich mit den vielfältigen Farben und Mustern seiner Schichten, rot, braun, bis grau-grün changierend sind sie bis hin zur Senkrechten aufgestellt, vielfach gefaltet und verformt, von der Erosion angeschnitten und offen gelegt in Hügeln, Kuppen und felsigen Massiven, wie anbrandende sich überschlagende Wellen in den Hügelkuppen, in Schleifen gelegt unter massiven Felsaufbauten, eine Landschaft wie in Erdfarben marmoriertes Papier. Dann erschaffen schräg stehende Schichten ein Streifenmuster aus Zickzack-Linien, farbig abgesetzte Dreiecke ineinander geschachtelt.
Wir zirkeln höher und höher bis auf über 2000 Meter. Es wird kalt, dicke dunkle Wolken hängen tief über den Bergen, wir fahren erst im Nieselregen und geraten schließlich vollends in Nebel und Wolken. Ein kleiner ländlicher Markt unterwegs, ein Kaffee frierender Weise in einer ungeheizten Gaststätte am Weg unterbrechen die Fahrt. Im warmen Auto schlafen wir bis zum Ortseingangsschild Taroudannt. Wir essen auf dem großen Platz, beziehen unser Hotel und werden dann durch die verwinkelten geschäftigen Souks der Stadt geführt. Leider ist das Wetter immer noch ungemütlich, der Himmel ein tristes Grau, aber wenigstens regnet es nicht mehr. Interessant ist der Besuch bei einer Kooperative, die Argan-Öl und daraus kosmetische Produkte herstellt. Dort werden uns von einer engagierten Dame die Produkte erläutert und demonstriert, mit denen wir uns dann anschließend auch gleich reichlich eindecken.
Nach der Besichtigung der mittelalterlichen und noch fast komplett erhaltenen Stadtmauer von Taroudannt brechen wir Richtung Nordosten nach Marrakesch auf. Bald biegen wir von der Hauptstraße auf eine kleine Nebenstraße ab, die uns direkt in den Hohen Atlas hineinführt. Trotz der steilen Hänge gibt es Besiedelung und Ackerbau. Kleine Ansammlungen von Lehm- und Stein-Häusern kleben am Berg, unterhalb ist der Hang terrassiert für kleine Anbauflächen. Tief unten im Tal ist es noch üppiger grün als bereits hier oben mit Palmen und Olivenbäumen.
Das Sträßchen, kaum breiter als unsere Autos, schlängelt und windet sich Kurve um Kurve höher hinauf, mit stetiger Steigung Hang um Hang bis wir wieder mal in die Wolken und schließlich sogar über die Schneegrenze kommen. Auf dem Tizi n' Test trinken wir auf 2100 Metern Kaffee und Tee in einem kleinen Lokal, mitten im Schnee. Kurz hinter dem Pass reißen die Wolken kurz auf und erlauben einen etwas großräumigeren Blick in die faszinierende Landschaft. Oben leuchtet der Schnee hell auf den Gipfeln und setzt Lichter auf den dunklen Bewuchs, darunter liegen hohe rotbraune Bergflanken von grünem Wachholder gesprenkelt. Im Vordergrund ein kleines Dorf, einfache Steinhäuser Ton in Ton mit der Landschaft, Akzente in Schwarz setzt eine Ziegenherde, die unterhalb des Dorfes über den Hang läuft.
Leider sind wir bald wieder unter dichten dunklen Wolken, aus denen es mal nieselt, mal ergiebig regnet. Der Fluss im Tal, das wir hinabfahren, ist vom Regen geschwollen und rauscht gelb-ocker schlammbeladen neben uns her. Plötzlich wechselt der Untergrund und der ockerfarbene Schlamm wechselt die Farbe nach hellrot wie Blut mit Ziegenmilch. Besonders apart sieht dies im nächsten Tal aus, wo sich der Fluss in breiten roten Bändern durch schroffen dunkelgrauen Fels schlängelt.
Nach der Regenpassage sind wir froh, als wir am Nachmittag in unserem Luxus-Hotel in Marrakesch eintreffen. Heute gibt es zum Tagesausklang für Jens eine rosenduftende Massage und für mich nur noch einen kurzen Spaziergang in die Medina und über den berühmten zentralen Platz Djemaa El Fna in der Abenddämmerung. Stimmungsvoll ist es, an den schön hergerichteten und beleuchteten Ständen vorbei zu schlendern: Hier leuchten Berge von Orangen, dort steht ein Verkäufer in mitten eines geometrischen angeordneten Berges von appetitlich arrangierten Sortiments von verschiedenen Datteln, Mandeln, Nüssen und getrockneten Aprikosen. Da kann ich natürlich nicht widerstehen und decke mich mit einer Portion Datteln und Mandeln ein, eine ideale Kombination, die uns schon beim Rasten während unserer Wanderungen gestärkt hat. Ich bummle noch durch die unzähligen Stände mit allerlei leckerem Essen, der Dunst der Grills steigt auf und hüllt den Platz in einen geheimnisvollen leuchtenden Schleier, während allmählich die Nacht herein bricht. Alles Übrige bleibt dem morgigen Tag vorbehalten.
Am Vormittag besichtigen wir gemeinsam die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Erste Station ist das Minarett der Koutoubia Moschee, eines der Wahrzeichen von Marrakesch. Danach geht es zum Bab Agnaou, dem mächtigen alten Stadttor aus dem 10. Jahrhundert. Direkt oben auf dem Tor, zur Rechten und zur Linken haben zwei Storchenpaare ihr Nest gebaut. Adebar scheint sich in Marokkos Städten so wohl zu fühlen wie bei uns die Amseln. Wie schon in Taroudannt thronen ihre Nester vielerorts über dem Gewirr der roten Gassen, ungestört von der Geschäftigkeit und dem Treiben unter ihnen.
Unser einheimischer Führer führt uns durch ein paar enge Gassen, erläutert wie die Menschen hier leben und die Stadtteile funktionieren, zeigt uns wie Leute Backbleche mit Brotteig in die Backstube zum Backen bringen, wo ein Hamam angeheizt wird. Gleich um die Ecke vom Stadttor liegen die Saadier-Gräber, die wir ausgiebig bestaunen. Mich faszinieren vor allem immer wieder die Farben und Muster der Kacheln, die reiche Stuck-Ornamentik, die kunstvolle Kaligraphie der Schriftbänder, die Holzarbeiten, geschnitzt oder bemalt. Im überaus prächtigen Bahia-Palast, den wir anschließend besichtigen, gibt es Dergleichen mehr zu sehen. Wir durchschreiten staunend Raum nach Raum, Hof nach Hof und bewundern die orientalische Prachtentfaltung.
Der Weg zu unserem letzen gemeinsamen Besichtigungsziel führt uns durch die wohl sortieren Souks von Marrakesch. Jedem Handwerk und Handelsgut sind bestimmte Bereiche zugewiesen. Mir gefallen am besten die Gassen, in denen man den Handwerkern bei der Arbeit zuschauen kann, der Ledermarkt und vor allem die Gassen der Metallhandwerker. Aber auch die Bereiche der Schuhhändler, der traditionellen Medizin, der Holzwaren, der Dattel- und Nüsse-Händler sind faszinierend in der Fülle des Angebotes, alles was in Marokko hergestellt oder gehandelt wird ist zu finden. Die meisten Gassen sind überdacht, mit Tüchern abgehängt oder mit Schilfrohr vor der Sonne geschützt. Gedämpftes Licht fällt von oben auf das lebhafte Gewusele von Verkäufern und Kunden, die hellroten Mauern der Häuser scheinen ihren Ton dem Kaleidoskop an Farben beizumischen. Im hellen elektrischen Licht der Geschäfte glänzen die Farben der Stoffe oder Früchte, die Kostbarkeiten aus Messing, Kupfer, Weißmetall und Silber, das Schuhwerk in allen Lederfarben wie auch die goldbestickten Brokat-Pantöffelchen.
Plötzlich gibt ein hohes Tor Einlass zum großzügigen Innenhof der Medersa Ben Youssef, einer berühmten alten Koranschule. Auch hier beeindrucken wieder die Lust an der Ornamentik, die kunstvollen Stuckverzierungen und vor allem die prächtigen dekorativen Holzschnitzereien. Die vorherrschenden Farben sind diesmal Beige und Dunkelbraun von Stuck und Holz, die Farben der Kacheln ordnen sich unter.
Mit einem gemeinsamen Mittagessen in einem traditionellen marokkanischen Restaurant ist das offizielle Programm beendet. Einzeln ziehen wir los, bummeln durch die Souks, nun mit der nötigen Muße zum Schauen, Handeln und Kaufen. Wir lassen uns treiben, tätigen die letzten Einkäufe, schlendern über den Djemaa El Fna, schauen den Schlangenbeschwörern zu und den Schlangen, die den Eindruck machen, als wären sie viel lieber im Winterschlaf geblieben, lassen uns trotz aufmunternder Zurufe nicht die Füße mit Henna bemalen, schauen, schlendern, staunen. Auf der Dachterrasse eines Cafes am Platz lassen wir uns nieder, erfrischen uns mit einem Kaffee bzw. einem grünen Tee mit Minze und genießen das prachtvolle Panorama des Hohen Atlas, der im Süden mit den schneebedeckten Höhen in der Sonne glänzt. Mit der sinkenden Sonne laufen wir zurück zum Hotel, hoch zufrieden mit dem schönen Tag und voller schöner Eindrücke von Marrakesch, der roten Stadt des Südens.
Mit dem gemeinsamen Abendessen im Hotel ist dann auch der Urlaub zu Ende, der nächste Tag ist Rückflug, grässlich frühes Aufstehen, endloses Schlangestehen und Chaos am Flughafen Marrakesch, ebenso Chaos am Flughafen Casablanca, aber Daniela bugsiert uns mit Ruhe und Optimismus durch die Hallen und schließlich sitzen wir alle in der richtigen Maschine und fliegen wieder unserer winterlichen Heimat zu.
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