Unsere Reise führt uns durch das alte und neue Mexiko, vom Hochland um Mexico City zu der Ebene von Yucatan, vom Popokatepetel zu Pacifik und Karibik, von der Jungfrau von Guadaloupe zu den Ruinenstätten der alten Kulturen Mexikos, auf dem Weg der gefiederten Schlange von Quetzalcoatl in Teotihuacan bis Kukulkan in Chichen Itza, begleitet von Chili- und Schokoladen-Sauce und den allgegenwärtigen Maisfladen. ... mehr Fotos in der Bildergalerie |
13 plus Stunden Flug von München über Frankfurt sind es nach Mexico City. Die große Boing 747 scheint die Feldwege des Himmels abzuklappern und rumpelt durch hohe grauen Wolken wie auch zarte weiße Schleier. Abends im Hotel haben wir beide den Eindruck, dass das Hotel schwankt. Ob es das Matrosen-Phänomen war, bei dem der feste Grund unter den Füßen nach Monaten auf See zu schwanken scheint, oder doch ein leichtes Erdbeben? Jedenfalls waren wir nicht die einzigen in der Reisegruppe, die die Schwankungen gespürt haben.
Unser Hotel, das Majestic, liegt direkt am großen Platz vor der Kathedrale, mitten in der Altstadt. Anscheinend gibt es irgendeine Veranstaltung auf dem Platz, große Menschenmengen ziehen durch die anliegenden Straßen und über den Platz, die Zufahrten sind gesperrt. Mit dem Bus ist kein Fortkommen und die zwei letzten Blocks bahnen wir zu Fuß, beladen mit unseren großen Taschen, den Weg durch die quirlige Menge, vorbei an dem riesigen beleuchteten Weihnachtsbaum vor der Kathedrale.
Das Majestic ist ein schönes altes Hotel mit einem Innenhof in spanischem Stil, überall prangen blaue gemusterte Kacheln, aber mein Favorit ist der alte Aufzug. Dieser wird mit einer Klingel gerufen, dann kommt er mit Aufzugswärter, welcher die Fahrt begleitet. Ein messingfarbenes Gitter verschließt den Eingang, ein großer Hebel wird zum Verriegeln umgelegt und ab geht es hinauf oder hinunter.
Für heute Abend ist die letzte Amtshandlung das Probieren einer Kollektion lokaler Biere oben im Dachterrassen-Restaurant und -Bar. Schön ist der Blick auf die Kathedrale, die mal bunt, mal dynamisch beleuchtet wird. Davor stehen der riesige leuchtende Weihnachtsbaum und halblinks daneben eine Art Teekanne mit 8 Ausgüssen, grell mit roten, weißen, gelben und blauen Leuchten in Szene gesetzt.
Zurück im Zimmer fallen wir trotz lauter Musik, Straßenlärm und schwankendem Haus direkt in einen tiefen Schlaf.
Der erste Höhepunkt der mesoamerikanischen Kultur steht heute auf dem Programm: Teotihuacan. Den Name haben die Azteken tief beeindruckt dem mystischen Ort gegeben, der bei ihrer Ankunft schon verlassen war, was so viel heißt wie "Wo die Menschen zu Götter werden".
Auf dem Weg dorthin besichtigen wir die Wallfahrtsstätte Guadalupe, das Nationalheiligtum der Mexikaner, wo eine Marienerscheinung verehrt wird, die sich einem Indio offenbart hat und sich als Bildnis in seinen Poncho eingeprägt hat. Dieses Bildnis hat dann auch den damaligen Bischof überzeugt, der Jungfrau Maria am Ort der Erscheinung eine Kirche zu errichten, zu der Mitte Dezember, am Jahrestag der Erscheinung, hunderttausende pilgern.
Da die alte Wallfahrtskirche durch ein Erdbeben in bedenkliche Schräglage geraten war, und wohl auch um die Pilgermassen besser zu bewältigen, wurde gleich daneben eine neue moderne Kirche gebaut, ein schöner Rundbau mit einem zeltartigen Dach. Hinter dem Altar befördern uns Laufbänder an dem Marienbild vorbei, das von jedem Platz der Kirche und jedem Eingang aus eingesehen werden kann. Viele Gläubige kommen auf Knien durch die Pforten heran gerutscht in der Hoffnung, dass ihre Bitten erhört werden. Wir schauen uns auch noch die alte Kirche an. Obwohl sie gerichtet und gehoben wurde, erkennt man an den Säulen noch eine deutliche Schieflage.
Dann geht es auch schon wieder weiter Richtung Norden nach Teotihuacan. Die in die Hänge der umgebenden Berge gewachsenen Stadteile Mexico Citys überraschen mit vielen kräftigen Farben. In grellen Leuchtstift-Pink, Neon-Blau oder -Violett setzen viele Häuser farbenfrohe Akzente im Häusermeer. Dann kommen wir aufs Land hinaus und bald schon sehen wir die große Sonnenpyramide über die Bäume hinaus ragen.
Unsere Besichtigung startet am Nordende der großen Achse, unweit der Mondpyramide. Gleich hinter dem Eingang haben wir von erhöhter Position einen herrlichen Blick auf die grandiose Anlage, die in ihrer Blütezeit von 200 bis 650 nach Christi bis zu 200.000 Menschen auf etwa 20 qkm Wohnstadt war. Links von uns erhebt sich die Mondpyramide am Ende der Straße der Toten, zur Rechten schweift der Blick entlang der aneinander gereihten Sockel von Palästen bis hin zur riesigen Sonnenpyramide. Bei der Besichtigung des kleinen rekonstruierten Tempels der Schnecke sehen wir noch Teile des ursprünglichen Stucks mit der bunten Bemalung mit Papageien und Schnecken.
Wir lassen uns nicht nehmen, bis zur halben Höhe auf die Mondpyramide zu steigen, höher führen die restaurierten Treppen nicht. Von hier hat man einen grandiosen Blick auf die beeindruckende Anlage, entlang der gesamten Achse bis hinunter zur sogenannten Zitadelle mit dem Quetzalcoatl-Tempel. Mächtig dominiert die 65 Meter hohe Sonnenpyramide, wie bunte Ameisenstraßen sehen die hohen Treppen aus, über die sich Scharen von Touristen auf die Spitze kämpfen. Wir verzichten auf diesen mühsamen Aufstieg, die Wirkung der Gesamtanlage ist uns Eindruck genug.
Mit der gesamten Reisegruppe spazieren wir über die breite Totenstraße nach Süden bis zur Zitadelle, ein riesiger von Plattformen gesäumter Platz, in dessen Mitte der Quetzalcoatl-Tempel steht. Die Mühe des Besteigens wird belohnt durch den Blick auf die gut erhaltene, Figuren-geschmückte Fassade des älteren, überbauten Quetzalcoatl-Tempel aus der Blütezeit der Stadt. Köpfe von Quetzalcoatl, der gefiederten Schlange, und von Tlaloc, dem Regengott, der seltsam quadratisch und abstrakt scheint, schmücken im Wechsel die Fassade.
Damit ist unsere Besichtigung beendet und wir nehmen unweit der Ruinenstätte ein verspätetes Mittagessen in einem netten mexikanischen Restaurant ein. Dort können wir auch ein kleines und ein großes Exemplar des hässlichen nackten Azteken-Hundes bewundern, bekommen eine Demonstration wie Pulpe aus dem Saft der Agaven hergestellt wird und können den vergorenen Saft probieren. Wir lernen auch die verschiedenen Arten von Obsidian kennen, in unbearbeiteter wie auch kunstvoll geschliffener Form. Wunderschön gold bis silbern changierend ist der Obsidian aus der Gegend von Teotihuacan, aber wir kaufen doch keine der Nachbildungen. Zum einen haben sie einen hohen Preis, zum anderen ist uns auch nicht klar, welch grausamen Gott man sich da ins Regal stellen würde.
Den Abend lassen wir wieder in der Dachterrassenbar unseres Hotels ausklingen.
Zu Fuß starten wir unsere Besichtigung von Mexico City. Unser erstes Ziel ist gleich am Platz die große Kathedrale, die größte Mexikos und auch der westlichen Welt. Prächtig mit viel Blattgold und überbordenden Verzierungen sind die raumhohen Altäre am Eingang und der große Hauptaltar weiter hinten, schön ist auch der alte Chor mit dem schmiedeeisernen Gitter und den beiden gegenüberliegenden Orgeln. Passender Weise singt auch gerade ein kleiner Chor, leise spielen die Orgeln dazu.
Unweit der Kathedrale liegt der National-Palast, die einstige Residenz des Conquistador Hernan Cortez. Das herrschaftliche Gebäude beherbergt großartige Wandgemälde des mexikanischen Künstlers Diego Rivera, die die Geschichte Mexikos von den Ureinwohnern, über die Eroberung durch Cortez, bis hin zur Revolution und dann die Neuzeit in lebhaften Farben und monumentalen Bildkompositionen erzählt.
Am Nachmittag besuchen wir das Nationalmuseum für Anthropologie und Geschichte. Viel zu schnell vergeht die Zeit, während uns unser Reiseleiter die wichtigsten Objekte aus Teotihuacan, der Mayas und der Azteken erläutert. Ich bin beeindruckt von den Reliefs, Stehlen, Keramiken und Relikten der alten Kulturen Mexikos, die das Museum gekonnt präsentiert, bis hin zu Replikationen von aufgefundenen rituellen Bestattungen und der Grabkammer des größten Herrschers von Palenque mit seiner jadenen Totenmaske und dem reichen Jadeschmuck, der grün aus dem Zinnober-Bett herausleuchtet, das den Körper bedeckte. Selbst der nachgebildete Kopfschmuck von Moctezuma, des letzten Aztekenkönigs, mit seinen langen grünen Quetzal-Federn ist zu sehen. Besonders beeindruckend finde ich auch den Nachbau eines Teils der Fassade des Quetzalcoatl-Tempels aus Teotihuacan mit der originalen Bemalung, aus der die rot-grünen Köpfe der gefiederten Schlange und des Regengottes den Betrachter schier anzuspringen scheinen.
Am Abend gehen wir mit unserer Gruppe in ein nettes mexikanisches Restaurant. Die wie Krankenschwestern gekleideten Bedienungen mit ihren weißen Kitteln und Hauben bringen riesige Portionen leckerer Enchiladas und mit Käse gefüllter Chilis nach Art des Hauses. So sättigend sind die Portionen, dass beim besten Willen für mich keine der verführerischen, süßen Leckereien mehr als Nachtisch möglich sind, die sie uns aufgetürmt auf großen Tabletts präsentieren. Möglich ist allerdings ein Tequila Reposado, ein gelagerter Tequila, der als doppelte Portion zusammen mit einem Schnapsglas von Tomatensaft mit Pfeffer und Orange serviert wird. Zum Digestiv kommt auch noch die Live-Musik an unseren Tisch, vier ältere Männer, die uns mit drei Gitarren, einer Bassgitarre und Gesang flotte mexikanische Lieder aufspielen - ein wirklich netter Abend.
Wir verlassen unser Quartier im Herzen von Mexico City und fahren zum Nationalpark Popocatepetl, wo wir auf dem Sattel zwischen den beiden über 5000 Meter hohen Vulkanen Popocatepetl und Iztaccíhuatl, der schlafenden Frau, eine kleine Wanderung unternehmen wollen. Das Wetter meint es gut mit uns und schon von weitem haben wir einen freien Blick auf den Iztaccíhuatl, der mit etwas Fantasie wirklich wie die Silhouette einer liegenden Frau aussieht, und auf den Popocatepetl, der kleine weiß-gelbliche Rauchwolken ausstößt.
Bevor wir zum Sattel hinauffahren legen wir noch einen Zwischenstopp in einem kleinen Örtchen am Fuße der Vulkane ein und schlendern über den Markt. Es ist immer interessant, was es hier alles zu essen gibt und wie es angeboten wird. Merkwürdig finde ich die grau-blauen Tortillas, die aus blauem Mais gemacht werden, wie ich später erfahre. Wir sehen die grünen, flachen Scheiben der Speise-Opuntien, grüne Tomaten, getrockneten Fisch und Shrimps, sorgfältig gestapelte dünne Fleischlappen, die gleich am Stand gebraten werden, Suppenküchen und viele Stände mit Süßigkeiten, von denen wir eine kleine Auswahl erstehen.
Dann geht es eine kurvenreiche Straße hinauf zum Paso de Cortez. Mich wundert, wie bewaldet die Berghänge sind, hohe Tannen und Pinien dominieren das dunkle Grün. Auf 3700 Metern, wo unsere Wanderung startet, sind wir bereits oberhalb der Baumgrenze. Prächtig ist der Blick zurück auf den Popocatepetl und hinüber zur Schlafenden Frau, auf die wir zulaufen. Die Luft ist dünn und schnell komme ich außer Puste, auch ein kleines Schwindelgefühl stellt sich ein, der Tribut an die Tatsache, dass wir für diese Höhe trotz der hohen Lage von Mexico City auf 2300 Metern überhaupt nicht akklimatisiert sind.
Der Weg führt entlang einer staubigen Fahrstraße, die Hänge sind mit hohen, dicken, gelben Grasbüscheln bedeckt. Weit geht der Blick in die Ferne, hinter uns prominent der Gipfel des Popocatepetl, der von Wolken umflossen ist, sich aber meist frei zeigt. Zur anderen Seite liegt die Schlafende Frau mit ihren bunten Hängen aus Vulkan-Asche und -Gestein von Hellgelb bis Blassrot und Braun. Trotz der großartigen Landschaft bin ich froh, als wir den Endpunkt der Wanderung erreichen, wo uns unsere Begleiter einen kleinen Imbiss mit Tee, Keksen und Früchten bereiten.
Mit dem Bus geht es die Piste zurück zum Pass und dann eine ähnlich wellige Piste hinunter in die Ebene nach Cholula. Diesen Weg hat auch Cortez in die umgekehrte Richtung genommen. Von der Küste kommend hat er nach einem Massaker in Cholula den Pass überquert um die Azteken in ihrer Hauptstadt Tenochtitlan anzugreifen und damit ganz Mexiko zu unterwerfen. Die einstündige Fahrt hinab ist eine Meisterleistung unseres Fahrers. Über die mit Dellen, Steinen und Schlaglöchern reich gesegnete Piste schaukelt er uns, mal im Schritt-, mal im Lauftempo gen Cholula. Erst kurz vor der Stadt erlöst Mensch und Gerät eine Asphaltdecke.
Bei der Fahrt durch Cholula sehen wir die mit 55 Metern und einer Grundflächen von 400 auf 400 Metern größte Pyramide Mexikos, auf welcher die Spanier eine Kirche errichteten. Allmählich dämmert es, im Dunkeln kommen wir in Puebla an und nehmen Quartier in einem ehemaligen Kloster, das heute ein nettes, großzügiges Hotel ist und auch eine exzellente Küche hat. Ich probiere das berühmte Hühnchen mit Mole Poblano, eine wirklich sehr leckere und gar nicht süße Schokoladensauce, die bestens zu gebratenem Fleisch passt. Das ganze Gericht ist auch noch dekorativ mit Sesam bestreut und natürlich begleitet von den unvermeidlichen Tortillas. Dann fallen wir müde in die großen Betten und in einen tiefen Schlaf.
Noch vor dem Frühstück folgen wir dem Rat unseres Reiseführers und eilen auf die Dachterrasse des Hotels, um den schönen Blick über Puebla und hinüber zum Popocatepetl zu genießen. Gerade geht die Sonne auf und beleuchtet die Kathedrale mit dem warmen gedämpften Licht der ersten Strahlen. Dahinter erhebt sich der Popocatepetl aus dem blauen Dunst und grüßt mit seiner Rauchfahne.
Am Vormittag besichtigen wir Puebla, eine nette Stadt mit einem schönen Zentrum aus der Kolonialzeit. Berühmt sind die Stuckverzierungen an einigen Häusern, genannt Zuckerbäcker-Stil, eines der am reichsten verzierten Häuser wird gar Mandelkuchenhaus genannt. Wir schauen uns auch die schöne Kathedrale an, die aber an Pracht und Dekor-Reichtum von der von außen recht unscheinbaren Dominikaner-Kirche bei weitem übertroffen wird. Schon das Hauptschiff ist reich ausgestattet mit raumhohen vergoldeten Barock-Altären, aber die große Rosenkranz-Kapelle ist schier atemberaubend mit all dem Gold der Altäre und den reichen, verspielten Stuckarbeiten an Wänden und Decken, die komplett mit vergoldeten Girlanden, Ranken und Schmuckfriesen bedeckt sind, in die viele figürlichen Darstellungen eingebettet sind.
Auf dem kleinen Markt im Künstlerviertel erstehen wir noch zwei große Portionen Mole als kulinarisches Mitbringsel, dann heißt es zurück zum Hotel, den Bus besteigen und gen Oaxaca aufbrechen.
Die Fahrt dorthin wird unterbrochen von einem besonderen Naturerlebnis. Bei Tehuacan biegen wir von der Hauptstraße ab und fahren in die Berge. Die kurvenreiche Strecke führt hinauf in ein Gebiet, in dem Hänge und Kuppen mit hohen Säulenkakteen bedeckt sind. Unser Ziel ist der Botanische Garten bei Zapotitlan Salinas, wo wir einen wunderschönen Rundgang durch die Kakteen machen, fachkundig kommentiert und erläutert von einem Mitarbeiter des Gartens. Nicht nur verschiedene Kakteen und an die Trockenheit angepasste Sträucher gibt es hier, sondern auch Elefantenfuß-Bäume. Ein 800-jähriges Exemplar mit dickem Stamm wächst hier, das Energie demjenigen spendet, der daran glaubt und den Baum berührt oder besser noch umarmt, was wir uns natürlich nicht nehmen lassen.
Inmitten der schönen Kakteenlandschaft wird uns ein Mittagessen serviert, bei dem das Getränk, ein greller rot-lila Saft, die Vorspeise wie auch das Hauptgericht, eine Art Hähnchen-Cordon Bleu auf rotem Kakteensauce-Spiegel, mit Kakteen-Blüten, -Früchten oder -Samen zubereitet und angereichert sind. Wiewohl teilweise ungewohnt, schmeckt alles wirklich lecker und sieht auf jedenfall fantastisch aus. Eine kleine Wanderung führt uns hinunter zum Fluss und zu einer Saline, wo salzhaltiges Wasser in flachen Becken verdunstet, eine Technik, die von den Spaniern eingeführt worden ist. Im Flussbett suchen wir nach Versteinerungen, dann heißt es leider schon Abschied nehmen von den Kakteen, wir müssen weiter, denn bis Oaxaca ist es noch ein ganzes Stück.
Wir fahren weiter nach Süden, entlang der Sierra Madre del Sur, deren von der Erosion zerfurchten Hänge von der untergehenden Sonne in rotes Licht getaucht werden. Es dämmert, dann geht der Vollmond auf und es bricht die Nacht herein, erst spät erreichen wir unser Hotel. Es ist der 24. Dezember, aber für ein großes Weihnachtsessen im Restaurant ist es uns schon zu spät. Wir setzen uns am Pool unter einer Palme zusammen, Licht spenden die Not-Kerzen aus unseren Zimmern, Bier und Sandwichs bringt der Zimmerservice und unser Reiseleiter spendiert eine Flasche feinen Tequila Reposado. Über uns leuchtet hell der Vollmond, aber auch Orion, Sirius, Procyon und die Zwillinge sind zu sehen, und ein wenig später gesellt sich auch Canopus dazu, der zweithellste Stern am Himmel, der aber so weit südlich steht, dass er bei uns in Europa nicht zu sehen ist. Eine nette Runde war es, ein stimmungsvoller Weihnachtsabend einmal anders.
Gleich nach dem opulenten Frühstück, das genauso gut auch als Mittags- oder Abends-Buffet durchgehen könnte, brechen wir zur Ruinenstätte Monte Alban auf, die auf einer Bergkuppe auf der anderen Seite der Stadt liegt. So viel habe ich schon darüber gelesen, jetzt werde ich die antike Stätte, die vor 2500 Jahren von den Zapoteken errichtet wurde und später von den Mixteken als Begräbnisstätte benutzt wurde, mit eigenen Augen sehen.
Zunächst beginnt unsere Begehung unspektakulär mit der Besichtigung eines etwas abgelegenen Residenz-Grabes, aber unser Reiseleiter hat die Dramaturgie wohl geplant. Wir gehen weiter zum nördlichen Tempelplatz, ersteigen die steilen Treppen der südlichen Plattform und vor uns liegt die beeindruckende Anlage in ihrer ganzen Größe, für die die Zapoteken die Kuppe des Berges eingeebnet hatten. Auf der entstandenen Fläche liegen Tempel, Altäre, Paläste und ein Ballspielplatz entlang der Nord-Süd-Achse, zur Rechten und Linken schweift der Blick bis hinab ins Tal und weiter zu den mächtigen Bergkämmen der Sierras, die sich im dunstigen Blau verlieren - ein großartiger Anblick.
Unser Weg führt uns durch die Anlage entlang der Achse zum sogenannten Observatorium, dann zu den Steintafeln mit groben Darstellungen von menschlichen Figuren in eigenartigen Verrenkungen, Tänzer oder Schwimmer genannt, vorbei am Ballspielplatz und wieder zurück zum Bus.
Anschließend schauen wir uns Oaxaca an, ähnlich wie Puebla im Schachbrettmuster angelegt, mit prächtigen Gebäuden und schönen bunten Häusern. Hervorstechend ist der grüne Sandstein, aus dem alle größeren Gebäude und Kirchen errichtet sind, was Oaxaca auch den Namen Antequerra Verde eingetragen hat. Wir schlendern über den belebten großen Platz, nehmen unser Mittagessen unter den Arkaden ein, besuchen den nahegelegenen Markt, wo es neben allem möglichen Gemüsen, Blumen, Gewürzen, Mole-Sorten, getrockneten Chilis auch geröstete Heuschrecken in verschiedenen Größen von winzig bis groß als lokale Spezialität gibt.
Auf dem Weg zurück ins Hotel besuchen wir noch das kleine Regional-Museum im Konvent von Santo Domingo de Guzmá, das die Schätze aus dem 1930 gefundenen Grab Nummer Sieben von Monte Alban enthält, ein unglaublicher Reichtum von Schmuck und Artefakten aus Gold und Silber, Perlen, Korallen, Knochen, Bernstein, Jade und Türkis. Besonders beeindruckt mich ein mixtekischer Schädel, mit Türkisen besetzt und eingesetzten großen, runden, leeren Augen und eingesetzter Nasenspitze. Die nebenan gelegene Dominikaner-Kirche ist wieder überreich ausgestattet, mit Stuck-Ranken und -Bildnissen verziert und alles von Gold glänzend.
Damit beschließen wir die Besichtigungen für heute, laufen zurück zum Hotel und lassen den Tag am Pool ausklingen.
Heute Morgen geht es zu einer Wanderung in die Sierra del Norte. Unser Bus fährt uns die kurvenreiche Straße hinauf bis nach La Cumbre, wo wir eine Wanderung durch den überraschend grünen Wald aus hohen Pinien und knorrigen Eichen machen. Die Bäume sind mit langen, herabhängenden Flechten bewachsen und Bromelien klammern sich an die Stämme oder sitzen auf den Ästen. Am Wegesrand wachsen üppig Blumen, hüfthoher lila und kleinerer grell-rot blühender Salbei, über mannshohe Disteln mit gelben oder rötlichen Blüten. Auch ein paar wenige Kolibris zeigen sich, ihr Gezwitscher ist immer wieder zu hören. Die Luft ist klar und frisch, die Sonne scheint durch den lichten Wald. Bis hinauf zu einem Aussichtspunkt führt unsere Wanderung, von wo wir einen herrlichen Blick über die von Dunkelgrün ins Blaue changierenden Höhenrücken der Sierra haben.
Dann bring uns unser Bus wieder hinunter in die Wärme der Ebene und nach einem Stopp zum Mittagsessen weiter nach Mitla. Die kleine Stadt ist quasi direkt über und um die antiken Stätten der Zapoteken und Mixteken gebaut. Das Besondere hier sind die vielfältigen geometrischen Ornamente in den Tafeln, die die vielen Paläste verzieren. Beim größten und prächtigsten Palast sind es gleich drei Reihen von Tafeln übereinander. Große monolithische Säulen stehen noch dort, die einst das Dach getragen haben.
Gleich am Ausgang der antiken Stätte steht eine Kirche, in der Steine und ganze Mauerabschnitte der alten Paläste verarbeitet wurden. Wir schlendern noch über den kleinen Markt, wo Textilien, Töpferwaren und allerlei Kleinigkeiten für Touristen angeboten werden, wie etwa die farbenfrohe lokale Variante eines Wolpertingers.
Dann brechen wir wieder nach Hause auf. Unterwegs machen wir Halt bei einer Meskal-Destillerie, eine Spezialität der Gegend. Nicht umsonst heißt die Route von Oaxaca nach Mitla "Straße des Meskal" und ist von Feldern mit bläulichen Meskal-Agaven gesäumt. Der Vorgang der Verarbeitung und Destillation mit den einzelnen Stationen wird uns anschaulich erläutert und natürlich können wir auch einige der verschiedenen Meskal-Sorten und -Liköre probieren. Und natürlich erstehen wir auch eine kleine Auswahl als Mitbringsel für zu Hause.
Es geht weiter Richtung Südosten zum Pazifik. Von Oaxaca nach Tehuantepec fahren wir auf einem Abschnitt der berühmten Panamericana, die von Alaska bis Feuerland führt. Es geht durch die Berge und in unzähligen Kurven windet sich die Straße erst hinauf und dann wieder hinab. Dürr ist das Land, aber die Hänge sind dicht bewachsen. Mal dominieren Kakteen, hohe Säulen- und mächtige Kandelaber-Kakteen, mal dürre Bäume, die meist trocken und kahl einen bräunlichen Pelz bilden, wo Wasser die Wurzeln erreicht aber auch wie grün angehaucht sind mit frischen Blattspitzen.
Dann sind wir in der großen Ebene des Isthmus angekommen. Nur etwa 200 Kilometer Luftlinie trennen hier Pazifik und Atlantik. Über die Ebene ziehen oft starke Stürme und auch heute weht es kräftig. Als wir bei einem kurzen Stopp aussteigen, trifft uns die Hitze wie eine Mauer und der Wind fühlt sich an wie aus einem überdimensionalen Handföhn.
Eine kleine Piste führt zur Laguna Azul, ein prächtiger, weißer Strand vor tiefblauem Meer mit einem netten einfachen Strandrestaurant als einzige Infrastruktur, wo wir den Mittag verbringen. Erst gibt es ein leckeres Essen, Meeresfrüchte und Fisch in Alufolie im Holzofen gegart, dann stürzen wir uns in die warmen Wasser des Pazifiks, lassen uns von den Wellen schaukeln, während direkt neben uns eine Gruppe Pelikane jagt und immer mal wieder einer der großen Vögel im Sturzflug senkrecht in die Wellen taucht. Dazwischen sind auch kleine Seeschwalben auf Futtersuche und halten leicht mal einen Zeh für etwas Essbares. Herrlich ist das Bad, aber dann heißt es wieder aufbrechen.
In Tehuantepec machen wir noch einen kleinen Rundgang über den Hauptplatz und den Markt der kleinen Stadt, alles ist nett und beschaulich. Viel Freude haben die Marktfrauen mit uns, als einer von unserer Gruppe eine Habanero, eine extrem scharfe Chili-Sorte, vor ihren und unseren Augen verkostet.
Wir fahren über die Ebene, vorbei an La Ventosa und La Venta, aber heute Morgen rührt sich kaum ein Lüftchen. Die Windräder der großen Windparks, die wir passieren, dümpeln fast regungslos vor sich hin. Es geht wieder hinauf in die Berge. Weiß, gelb und rosa blühen Bäume und Büsche in den Hängen. Dann geht es lange über die Hochebene bis nach Tuxtla Gueteirrez, der Hauptstadt Chiapas.
Gleich hinter Tuxtla machen wir Mittag am Fluss Sumidero und unternehmen von dort aus eine Bootsfahrt in den Canon de Sumidero, eine beeindruckenden Schlucht, in der der Fluss aufgestaut wurde und die zum Nationalpark erklärt wurde. Wir werden alle in Schwimmwesten gesteckt, besteigen eines der schnellen Boote und düsen den Fluss hinab.
Bald schon werden die Felswände höher, die üppige Vegetation drängt sich auf schmalen Streifen und kleinen Anstiegen, die den Boden halten können. Wir sehen träge Krokodile am sonnigen Uferstellen, eine große Ansammlung schwarzer Rabengeier, einige weiße Reiher und sogar ein paar Spinnenaffen in einer Baumkrone. Das Beeindruckteste aber ist der Canon selbst mit den bis zu 1000 Meter hohen senkrechten Klippen, gesäumt von üppigen grünen Bäumen, mit Säulenkakteen in den sonnigen Wänden.
An vielen Stellen haben sich große Stalaktiten in den Wänden gebildet. Wo Wasser im Schwall austritt, wachsen diese zu großen abwärts geneigten Schuppen, die mit Moos bewachsen sind, was in der Gesamtheit wie ein überdimensionaler Weihnachtsbaum aussieht.
Dann ist auch schon der Endpunkt unserer Fahrt erreicht und es geht zurück, wir besteigen unseren Bus und nicht lange, dann haben wir das Städtchen Chiapa de Corzo, unsere Station für die Nacht, erreicht. Bevor wir im Hotel einchecken machen wir wieder unseren kleinen Orientierungsrundgang über den großen Platz, bestaunen die frisch renovierte "Krone Spaniens", ein schöner Pavillon aus hellroten Ziegeln, gebaut in der Form der spanischen Krone, und dahinter den mächtigen, 800 Jahre alten Ceiba-Baum. Nur zwei Blocks vom Platz entfernt liegt unser Hotel "La Ceiba", benannt nach diesem heiligen Baum der Maya. Es ist ein sehr nettes kleines Hotel mit einem wunderschönen, üppigen tropischen Garten im Innenhof. Exotische Vogelstimmen sind zu hören und komplettieren die Idylle.
Nach einem kleinen Rundgang in Chiapa de Corzo geht es hoch hinauf in die Berge nach St. Christobal de las Casas, das auf 2300 Metern Höhe liegt. Über die neue Mautstraße legt man die Entfernung wie auch die Höhenmeter flott in einer Stunde zurück. Erst sieht man noch hinab auf die Ebene von Tuxla, dann ist sie unter den Wolken verschwunden und wir fahren kurze Zeit durch Nebelfetzen, bis sich ein klarer blauer Himmel zeigt und wir kurz darauf in St. Christobal ankommen.
Heute haben wir viel Zeit und bummeln gemütlich durch die geschäftige Stadt. Viele Maya-Frauen und auch -Kinder aus den umliegenden Dörfern in ihren typischen bunten Trachten bieten allerlei Erzeugnisse feil, vor allem Textilien und Geknüpftes. Wir bestaunen die schönen Fassaden zweier Kirchen, die eine fröhlich in Gelb, Weiß und Rot unter dem hohen blauen Himmel leuchtend, die andere, eine Kirche aus dem 16. Jahrhundert, mit einer von Stuckornamenten überzogenen Fassade. Sie ist eine der ältesten Kirchen Mexikos und hat innen eine schöne Holzdecke und goldene, reich verzierte Haupt- und Nebenaltäre. Sogar die Seiten des Hauptschiffes sind mit vergoldeten Platten und Altären ausgeschmückt.
Draußen pulsiert das bunte Leben auf den Plätzen und in den Fußgängerzonen. An den Ständen gibt es schöne bunte Textilien im Überfluss, schade dass ich wirklich nichts davon benötige. In einem kleinen Restaurant nehmen wir eine landestypische Suppe zu uns, in einer Ecke werden nonstop Tortillas geformt und auf dem Ofen gebacken, ein Gitarrenspieler spielt uns auf und zum krönenden Abschluss betätigen sich zwei Spieler an der Marimba, dem typischen Instrument der Gegend.
Dann gibt es erstmal eine kleine Auszeit im Hotel bevor uns unser Fahrer wieder in die Stadt bringt, wo wir von der Agentur zum Abendessen eingeladen sind. Wir speisen im überdachten Innenhof des ersten Hotels am großen Platz, der sehr stilvoll gestaltet ist. Bevor uns der Bus wieder abholt, haben wir noch etwas Zeit die Stimmung auf dem Platz zu genießen. Im hell beleuchteten Musik-Pavillon spielt eine Kapelle zur Marimba mexikanische Lieder. Auf dem Platz flanieren Paare oder sitzen auf den Bänken und schwatzen. Die fleißigen Maya-Frauen bieten noch immer voll bepackt ihre Waren an, an einer Seite des Platzes hat sich ein kleiner Straßenmarkt gebildet. Die Stimmung ist entspannt, fröhlich und gelassen, ein schöner Abend der Ferienzeit in Mexiko, einer der letzten des Jahres.
Heute besuchen wir zwei Maya-Dörfer in der Nähe von St. Christobal und verbinden das mit einer kleinen Wanderung. Wir fahren in das Städtchen Chamula und laufen als erstes den Berg hinab zur kleinen Kirche. Gleich schon bei unserer Ankunft sehen wir einige Prozessionen Richtung Kirche ziehen, die Dorfbewohner in ihrer Tracht mit den schwarz-zotteligen, wollenen Röcken für die Frauen mit ihren glänzenden bunten Blusen und ein ebenso zotteliger schwarzer Überwurf für die Männern. Die Würdenträger wie der Major Domus der Kirche schreiten stolz vorweg mit einem Hut und langen, bunten Bändern als Zeichen ihrer Würde.
Der Weg zur Kirche ist gesäumt mit Ständen, wo schöne Textilien und Töpferwaren feilgeboten werden. Vor der Kirche gibt es einen kleinen Markt, sorgfältig zu kleinen Pyramiden aufgetürmt werden Tomaten, Orangen, Kartoffeln und mehr präsentiert. In der gesamten Stadt ist Fotoverbot, besonders streng vor und in der Kirche, und die Erzählungen unseres Reiseleiters von wütenden Dorfbewohnern und den ernsthaften Konsequenzen einer Übertretung machen es uns leicht, dem Drang zum Fotografieren komplett zu entsagen.
Der Obolus für den Eintritt in die Kirche ist entrichtet und wir drängen hinein. Wir sind schon vorbereitet, dass uns etwas anderes als eine übliche Kirche erwartet, aber die Realität ist dann doch überwältigend, wir betreten eine ganz andere Welt. Die Kirche ist nicht bestuhlt, Kiefernnadeln bedecken den Boden. Der Eingangsbereich ist dicht gedrängt gefüllt mit den Einheimischen in ihrer Tracht. Mühsam und vorsichtig bahnen wir uns einen Weg zum Altar, vorbei an unzähligen Kerzen in Gläsern vor den Seitenaltären, aber überall sind auch Gruppen dünner Kerzen einfach mit heißem Wachs auf den Boden geklebt. Die Heiligen der Seitenaltäre tragen alle Spiegel auf der Brust. Vor einem diese Altäre führt gerade eine Schamanin einen Ritus durch, indem sie mit Hühnereiern, die sie am Körper ihres Patienten entlang führt, das Schlechte aus dessen Körper herauszieht. Hier verschmilzt Christentum mit alten Maya-Bräuchen und Schamanentum, kein Wunder, dass es hier auch außer Taufen keine offiziellen christlichen Sakramente oder einen Gottesdienst gibt. Es ist eine dichte Atmosphäre, die Luft geschwängert von den vielen brennenden Kerzen, eine ganz andere Welt, in der ich mich fremd fühle.
Von außen wirkt die Kirche frisch und hübsch, blenden weiß ist sie gekalkt, die Bögen des Portals sind in leuchtendem Grün, Türkis und Blau bemalt und geschmückt mit blumigen Ornamenten. Wir schauen uns noch etwas auf dem Markt um, dann laufen wir aus dem Städtchen hinaus, durch die Felder und ein kleines Waldstück zum Dorf Zinacantan.
Beim Abstieg hinab sieht man die vielen glänzenden Dächer der Gewächshäuser, in denen Blumen gezogen werden, die Spezialität dieses Dorfes. Auch hier besichtigen wir die Kirche, aber außer den Spiegeln auf der Brust der Heiligen erinnert hier nichts an die Andersartigkeit und den Schamanismus, der in der letzten Kirche praktiziert wurde.
Wir kehren ein bei einer Familie, die wunderschöne Textilien aller Art wie auch die traditionelle, mit großen bunten Blumenmustern geschmückte Tracht des Dorfes herstellt. Wir sehen wie die gemusterten Stoffe mit einem einfachen und um den Rücken fixierten Webgestell von Hand gewirkt werden. Unmengen Läufer, Decken, Trachtenröcke und -Blusen bedecken die Wände, sind auf den Tischen ausgelegt, hängen von der Decke. Zwei von uns werden als Braut und Onkel der Braut eingekleidet und jede der vielen Lagen an Kleidungstücken erläutert. Dann sind wir in die schwarz verräucherte Küche eingeladen, wo frisch für uns Tortillas zubereitet werden, die wir mit Käse, Tomatensauce, Kürbiskernpulver und anderen Zutaten füllen und heiß verspeisen. Zum Abschluss gibt es noch einen Kaffee, dann besteigen wir wieder unseren Bus und fahren heim nach St. Christobal.
An unserem letzten Abend dort zieht es uns nochmal in das Stadtzentrum. Wir gönnen uns ein leckeres Steak beim Argentinier, weil wir einfach mal wieder eine Abwechslung im Speiseplan brauchen, flanieren durch die Fußgängerzone und über den großen Platz, der wieder voll von Leben ist, und fahren dann per Taxi zurück ins Hotel, nach einem Tag voller Eindrücke.
Ein langer Fahrtag liegt vor uns. Unser Reiseleiter hat von der Agentur die Order bekommen, nicht die direkte Strecke nach Palenque zu fahren, wegen einiger Überfälle in der letzten Zeit sei dies zu gefährlich, stattdessen sollen wir den Umweg über Villahermosa nehmen. Also geht es erst mal zurück nach Tuxla, dann weiter Richtung Norden. Je weiter wir hinab kommen umso grüner und üppiger wird die Vegetation, wir sind im Regenwald angekommen.
Auch Palenque, das wir am späten Nachmittag erreichen, liegt im Regenwald. Für heute ist es zu spät, die antiken Ruinen zu besichtigen, das bleibt dem Tag der Abfahrt vorbehalten. Aber wir sind doch gerade rechtzeitig um kurz vor 17:00 frisch geduscht gemeinsam beim Essen zu sitzen und das neue Jahr nach deutscher Zeit zu feiern. Am nächsten Morgen geht es ganz früh los und um 20:30 liegen wir schon in den Federn.
Um fünf Uhr klingelt uns der Wecker aus dem Schlaf, 5:30 ist Abfahrt, wieder wird es ein langer Tag werden und auch hier ist es aus Sicherheitsgründen geraten, nicht erst bei Dunkelheit heimzukehren. Wir dösen während der Bus durch die Dunkelheit fährt, dann dämmert es, die Sonne geht auf und beleuchtet eine schöne Landschaft mit saftig grünen Wiesen, auf denen Rinder grasen, dahinter eine Kette spitzer Hügel, bedeckt mit üppigem Regenwald. Wir halten an einem netten Freiluft-Restaurant, das nicht nur uns sondern auch vielen anderen Touristen auf dem Weg zu den Ruinenstätten im Grenzgebiet zu Guatemala ein leckeres Frühstücksbuffet unter schilfgedeckten Dächern bietet.
Unser erstes Ziel ist die Maya-Stätte Yaxchilan, direkt am Rio Usumacinta gelegen, der hier die Grenze zu Guatemala bildet. Eine 50-minütige Fahrt auf schlanken schnellen Booten mit Schilfdach und Außenbordmotor bringt uns zu der weitläufigen Anlage, die sich entlang des Flusses mit einem großen Platz im Zentrum erstreckt. Durch das sogenannte Labyrinth, einem verwinkelten Palast mit Kraggewölben, in denen sich große Spinnen und kleine Fledermäuse in Ecken und Winkel klammern, geht es zum zentralen Platz mit gut erhaltenen Stehlen und einem Ballspielplatz. Moosbedeckt sind die alten Steine, üppig die Natur, die nur darauf zu warten schein, die alte Ruinenstadt wieder zu vereinnahmen. Brüllaffen-Geschrei tönt weit durch die Luft und wir sehen auch eine kleine Gruppe hoch oben in einem Baumwipfel turnen. Eine Gruppe Papageien schwirrt vorbei, von ferne kreischt ein Ara.
Mir gefällt die dichte Atmosphäre und starke Ausstrahlung der Ruinenstätte. Schön ist, dass einige große Bäume bei der Freilegung stehen gelassen wurden, so drei große Ceiba-Bäume, die heiligen Bäume der Mayas. Direkt über dem Platz thront im Hang die große Akropolis, zu erreichen über eine beeindruckende breite Treppe, die auf den gut erhaltenen Haupttempel hinführt, welcher durch den gut erhaltenen Dachkamm noch mächtiger über dem Platz aufragt.
Wir steigen die Treppe zum Tempel hinauf. Von der Büste des Königs Jaguar IV dort wird gesagt, wenn dem Rumpf der nebenan liegende Kopf wieder aufgesetzt wird, käme es zum Weltuntergang. Wir konnten uns überzeugen, dass Torso und Kopf immer noch sauber getrennt voneinander dort liegen. Von der großen Akropolis laufen wir auf schmalen Pfaden durch den Regenwald zur kleinen Akropolis und wieder hinab zum Ausgang.
Das Boot bringt uns wieder zurück zur Anlegestelle, wo unser Bus auf uns wartet und ohne lange Mittagspause geht es den gleichen Weg zurück bis Bonampak. Diese Anlage wurde erst spät entdeckt. Es ist ein kleiner Platz mit einer in den Hang gebauten dominierenden Akropolis, zu der breite Treppen und Terrassen hinauf führen. Die Besonderheit hier sind überraschend gut erhaltene Fresken in einem der Tempel, die auch Bonampak den Maya-Namen gegeben haben "Bemalte Wand". In drei Räumen erzählen die Gemälde an Wänden und im Gewölbe eine ganze Geschichte. Im ersten Raum werden die Riten zur Vorbereitung eines Krieges dargestellt, der mittlere Raum erzählt vom Krieg selbst und der dritte Raum stellt die Feierlichkeiten und Riten nach dem Krieg dar. Nur drei Personen können gleichzeitig in die engen Räume mit dem Kraggewölbe, in denen sich die Fresken mit ihren vielfältigen Farben in erstaunlicher Frische erhalten haben. Leider ist der Andrang groß und viel zu kurz die Zeit, um sich die Darstellungen mit all ihren Details genau anzuschauen. Nichtsdestotrotz sind die Wandmalereien sehr beeindruckend und das Betrachten der Fotos wird das eine oder andere Detail preisgeben.
Dann wird es auch höchste Zeit zur Heimfahrt, erst im Dunkeln kommen wir wohlbehalten wieder in unserm Hotel an.
Bevor wir unsere Weiterfahrt nach Yucatan antreten, besuchen wir die Maya-Stätte von Palenque, die auch "Perle des Urwalds" genannt wird. Ich kann dieser Namensgebung nur voll zustimmen, es ist wirklich eine wundervolle Anlage mit mächtigen, gut erhaltenen Tempeln und Palästen, eingebettet in die sattgrünen Hänge des üppigen Regenwaldes. Tatsächlich hat es auch heute Nacht geregnet und Wolkenfetzen hängen noch tief in den Bergen und umfloren die Kronen der Bäume auf den Hügelkuppen, was der alten Stadt etwas Mystisches gibt.
Palenque war eine der Großmächte der Mayas und in seiner Blütezeit im siebten Jahrhundert nach Christus von Pakal dem Großen, seinem größten König, beherrscht. Gleich am großen Platz, den wir als erstes betreten, sehen wir den Tempel der Inschriften, unter dem sein Grab gefunden wurde. Eine Rekonstruktion der Grabkammer mit dem riesigen Sarkophag und dem beeindruckenden Relief der Deckplatte, sowie den Jadeschmuck und die Jademaske des toten Königs in seinem stark kontrastierenden roten Zinnober-Bett, konnten wir schon im Museum von Mexico City bewundern. Däniken hatte in dieser Grabplatte einen Raumfahrer identifiziert, tatsächlich aber stellt sie das Sinken des Königs in die Unterwelt dar. Dieses publizierte Missverständnis hat die Antikenverwaltung dazu gebracht, auf den erläuternden Tafeln vieler Maya-Anlagen zu betonen, dass die Mayas keinerlei Hilfe von Außerirdischen hatten.
An der anderen Seite des Platzes steht der Palast Pakals, ebenfalls noch gut erhalten, mit dem sogenannten Observatorium, seinem charakteristischen Turm, der heute leider nicht mehr bestiegen werden darf. Wir steigen die Treppen zum Palast hinauf, wandeln durch die vielen Innenräume und Innenhöfe. Immer noch sind Teile des Putzes mit der originalen Bemalung und des Stucks an den Gesimsen zu sehen.
Anschließend steigen wir hinauf zu einem höhergelegenen kleinen Platz, der von drei kleineren Tempeln an den Hangseiten eingerahmt wird, die der Sohn von Pakal errichten ließ. Beeindruckend ist auch hier der Erhaltungszustand, insbesondere die drei gut erhaltenen großen Steinreliefs der Altäre, die den Sohn und den Vater in verschiedenen Kontexten zeigen. Gut dass unser Reiseleiter uns zuvor die Darstellungen anhand der Bilder erklärt hat, die die Händler überall am Wegesrand in der Anlage verkaufen. Die Lage der in den Regenwald eingebetteten Tempel, wie auch der Blick von dort oben auf den kleinen Platz, den Palast und den Tempel der Inschriften und dahinter die grüne Ebene sind fantastisch.
Unser Rundgang führt uns weiter durch die Ruinenstadt, vieles ist nur in Ansätzen oder noch überhaupt nicht ausgegraben. Wunderschön ist auch der üppig Regenwald selbst. Unser Weg führt uns entlang des Baches, der große Kaskaden mit Kalkfächern und Kalkterrassen ausgebildet hat. Schade dass es nicht mehr erlaubt ist, in den Becken zu baden, was aber bei dem großen Besucheransturm mehr als verständlich ist. Zu schnell geht unser Rundgang zu Ende, wie im Flug ist die Zeit in der beeindruckenden Anlage vergangen.
Wir besteigen wieder unseren Bus, verlassen Chiapas und fahren hinein in die Ebene von Yucatan. Kurz noch durchfahren wir das Bundesland Tabasco, dann sind wir im Bundesland Campeche angekommen. Bis auf wenige Hügel ist die Landschaft flach. Es ist sumpfig, und doch wirkt es trocken, das Grün der Wiesen und der Bäume ist nicht mehr so frisch, selbst das Vieh scheint dünner.
Gegen Abend erreichen wir die Eco-Lodge in Chicanna, wo wir in netten kleinen Bungalows untergebracht sind, die für die nächsten zwei Nächte unser Domizil sein werden. Das samtige Dunkel der Nacht ist erfüllt vom Zirpen der Grillen. Ich bin gespannt auf die Vogelstimmen am nächsten Morgen.
Bei der Vorbereitung der Reise hatte ich schon Bilder von Calakmul gesehen, das lange tief im Dschungel verborgen lag, Luftaufnahmen, die zwei pyramidale Bauten zeigen, die hoch aus einem geschlossenen grünen Blätterdach herausragen. Und genau so wurde diese antike Maya-Stadt auch gefunden und hat ihren Namen erhalten: Von dem einstigen Königreich der Schlange waren aus der Luft nur noch zwei nebeneinander liegende grüne Berge zu erkennen. Wegen der abgeschiedenen Lage begannen erst in den achtziger Jahren Ausgrabungsarbeiten und zusätzlich wurde um die Anlage ein Biosphären-Reservat eingerichtet. Damit haben sich bis heute der Charakter und die Faszination einer vom Urwald verschlungenen Ruinenstätte erhalten.
Das Areal der einstigen Supermacht und Erbfeind von Tikal in Guatemala erstreckt sich über 70 qkm, erst wenige Strukturen sind ausgegraben und restauriert. Die Anlage liegt fernab der großen Straßen in der Nähe der Grenze zu Guatemala. Nach einstündiger Fahrt über eine schmale Straße durch den dichten Busch des Reservats kommen wir bei der alten Stadt an. Angelegte Wege führen durch den dichten Wald, in dem 10-15 Meter hohe Bäume und Buschwerk dicht an dicht stehen. Während wir durch die weitläufige Anlage laufen, turnen über uns Spinnenaffen, hören wir das Gebrüll von Brüllaffen, das Gekreische der Aras oder auch das schnarrende Pfeifen eines Tukans.
Viel Raum ist zwischen den einzelnen Komplexen, darunter am prominentesten der große Platz mit den beiden höchsten Pyramiden auf der Nord- und Süd-Seite. Aber auch die große Akropolis mit der mächtigen, sie umgebenden Mauer und vielen Gebäuden auf dem Weg, noch halb oder ganz von Moos, Busch und der Zeit bedeckt, geben einen Eindruck von der einstigen Größe. Die Reliefs auf den über hundert Stehlen sind zu meiner Enttäuschung fast alle bis zur Unkenntlichkeit verwittert, aber reiche Funde seien in mehreren Gräbern gemacht worden, darunter alleine sieben Jademasken. Auf die beiden höchsten Pyramiden steigen wir hinauf bis hoch über die Wipfel der Bäume und haben einen imposanten Blick auf das grüne Meer der Baumwipfel unter uns, aus dem nur die drei höchsten Strukturen hervorragen. Ganze vier Stunden halten wir uns in der mächtigen und von den großen Touristenströmen noch nicht entdeckten Anlage auf.
Dann geht es wieder hinaus aus der Ruinenstadt und dem Naturschutzgebiet und zurück zur Eco-Lodge. Wir kommen früh genug dort an um uns auch noch rasch die kleine antike Anlage von Chicanna anzuschauen, die direkt gegenüber unserer Lodge liegt. Hier gibt es nur eine Handvoll Gebäude, wovon zwei in guten Erhaltungszustand sind und einen ganz anderen Eindruck der Maya-Architektur der Spätzeit vermitteln, dem Rio-Bec-Stil.
Schon das erste mehrgeschossige Gebäude ist mit ausgeprägter Ornamentik verziert, die immer wieder Chaac, den Regengott der Mayas, mit seinem unverwechselbaren Rüssel zeigt und stark akzentuierte geometrische Reliefs beiderseits des Eingangsportals aufweist. Der Höhepunkt ist aber das Haus des Priesters, eine eingeschossige Struktur, deren großes Portal wie das Maul eines Ungeheuers gestaltet ist, ein sogenannter Schlangenmauleingang. Über dem Tor sitzen die gossen Augen und Nase des Ungeheuers, wie auch die riesigen Zähne eines Oberkiefers, zwischen denen noch Reste des alten Putzes mit der roten Bemalung zu sehen ist. Auf dem Absatz vor dem Eingang ragen die korrespondierenden Zähne des Unterkiefers hoch, die wieder stark herausgearbeiteten Ornamente rechts und links des Tors sollen vermutlich die Tatzen des Untiers mit den gut sichtbaren Krallen darstellen.
Beeindruckt laufen wir die kurze Strecke bis zur Lodge hinüber, der einsetzende Nieselregen beschleunigt unsere Schritte. Kurz darauf hat sich das Wetterunbill wieder gelegt und nach einem feinen Essen im Restaurant sitzen wir noch auf unserem kleinen Balkon und lauschen dem Konzert der Grillen in der Nacht.
Gleich am frühen Morgen besichtigen wir die Anlage von Becan, eine der bedeutendsten Maya-Stätten des Rio-Bec. Es ist bedeckt und frisch, fast kühl, zum Glück regnet es nicht. Wir sind fast ganz allein in der Anlage aus der Spätzeit der Mayas, die anders als die Städte der Klassik befestigt ist, der innere Bezirk ist zum Schutz mit Wassergräben umgeben. Auf den großen Platz führt ein hoher Gang mit Kraggewölbe durch eine starke Mauer, ebenfalls ein Befestigungselement gegen die unsicheren Zeiten.
Über einen sattgrünen niedrigen Moosteppich betreten wir die Plaza, die von zwei großen Gebäuden dominiert wird. Ein Palast, bei dem die typischen Rio-Bec Elemente wie die zwei Türme rechts und links noch gut erkennbar sind, und eine hohe Pyramide, auf der einst ein Tempel stand. Ich lasse es mir nicht nehmen, die vielen steilen Stufen hinauf zu steigen. Von oben wirken meine unten gebliebenen Reisegefährten wie Zwerge, der Blick geht über das geschlossene Blätterdach aus dem sonst nur noch der Palast herausragt. Eine Gruppe grüner Papageien fliegt kreischend unterhalb von mir vorbei.
Weiter wandeln wir durch die Anlage, vorbei am Ballspielplatz, und sehen uns hinter einem Tempel ein wunderbar erhaltenes Stuck-Relief an, das von einem kleinen Unterstand und einer Glasscheibe geschützt wird. Es zeigt den überdimensionalen Kopf eines Würdenträgers mit Kopfschmuck und einer Fratze daneben. Selbst die aufgemalten Pupillen des Auges sind noch zu erkennen.
Wir fahren weiter Richtung Norden. In einem kleinen Ort machen wir eine kurze Pause. So habe ich mir immer Mexiko vorgestellt, ein verschlafenes Nest, ein großer Platz mit niedrigen bunten Gebäuden drumherum, darüber eine große Sonne im blauen Himmel, mexikanische Musik dringt aus einer Kneipe. An der Ecke ist ein kleiner Stand, wo ich einen leckeren ölgebackenen Maisfladen mit Bohnenmus, Hühnerfleisch und sauer eingelegten roten Zwiebeln erstehe.
Je weiter wir nach Norden kommen umso trockener wird das Land, umso dürrer wirkt der noch immer dichte Busch, der uns begleitet. Trocken und warm ist es auch als wir an der Ruinenstätte Edzna aussteigen. Statt eines sattgrünen Moosbodens gibt es hier staubige Wege, die Ruinenstätte selbst ist aber um nichts weniger beeindruckend. Edzna ist eine große Anlage mit einem riesigen langgestreckten Platz, dessen eine Längsseite komplett von einer durchgehenden Treppe eingenommen wird. Die Gebäude oben auf der Plattform existieren nicht mehr, vermutlich dienten sie dem Handel. Gegenüber erhebt sich eine mächtige Akropolis mit einem dominierenden zentralen Tempel zum Platz hin, der sehr gut erhalten ist. Sogar große Teile des Dachkamms sind noch vorhanden und krönen die imposante Erscheinung. Schön ist auch, dass diese Ruinenstätte kaum besucht ist, und sich die wenigen Besucher in der großen Anlage verlieren.
Von hier ist es nur noch eine knappe Stunde bis zur Stadt Campeche, unserem Ziel für heute. Bevor wir im Hotel am Rande der Altstadt einchecken, machen wir noch einen Rundgang durch die schöne Stadt aus der Kolonialzeit mit ihren vielen bunten, einstöckigen Häusern, fast alle liebevoll renoviert. Die Altstadt ist teilweise noch von der alten Stadtmauer umgeben, die mit Bastionen zur Verteidigung versehen ist. Im Zentrum gibt es wieder einen hübschen kleinen Platz mit Pavillon, schattenspendenden Bäumen und Bänken zum Verweilen, eingerahmt von zweigeschossigen repräsentativen Gebäuden mit Arkaden und auch die der Maria geweihte Kirche darf nicht fehlen. Unweit davon ist auch unser Hotel, wo wir den Abend beschließen, da wir morgen wieder einmal sehr früh raus müssen.
Um 5:00 klingelt das Telefon, es ist unser Weckruf. Gefühlt ist es noch tiefe Nacht. Um diese Uhrzeit hat auch kein noch so nett serviertes Frühstück eine Chance bei mir, eine Tasse Kaffee geht gerade mal so. Als wir den Bus besteigen, fängt es an zu tröpfeln, es regnet während der gesamten Fahrt und obwohl es irgendwann Tag wird, bleibt die Welt düster, grau-in-grau, was durch unsere getönten Scheiben noch verstärkt wird. Noch habe ich eine gewisse Hoffnung, dem Regengebiet zu entfliehen, aber als wir in Uxmal ankommen, regnet es immer noch ergiebig. Egal, ich bin wild entschlossen diese Anlage zu genießen, bewaffne mich mit einem Regenschirm und folge unserem Reiseleiter auf das Gelände.
Immerhin hat alles Schlechte auch sein Gutes, es sind wenige Touristen unterwegs und die Ruinenstätte ist so beeindruckend, dass ich den Regen - bis auf die lästige Handhabung der Kamera unter dem Regenschirm - schnell vergessen habe. Gleich das erste Gebäude, auf das wir stoßen, ist die Signatur Uxmals, die Pyramide des Wahrsagers, die, ganz ungewöhnlich, einen ovalen Grundriss hat, so wie die strohgedeckten Hütten der Mayas, wie wir sie auch auf unserer Fahrt ab und an in den kleinen Ortschaften und Dörfern gesehen haben.
Dann kommen wir zum sogenannten Gouverneurspalast, eine lange rechteckige Struktur mit beeindruckender Ornamentik oberhalb der zahlreichen Eingänge. Erst durch die fachkundigen Erläuterungen unseres Reiseführers und näheres Hinsehen offenbart die Logik des Aufbaus und die verschiedenen Elemente, wie etwa die vielen Masken des Regengottes Chaac, die in auf- und absteigenden Linien in die geometrischen Muster eingebettet sind.
Unser Rundgang führt zur hohen Pyramide, bei der ich es mich auch diesmal nicht nehmen lasse, bis ganz hinauf zu klettern, wo in der Nische im Zentrum ebenfalls eine große Chaac-Maske zu sehen ist. Der Höhepunkt der Anlage ist für mich das Nonnenviereck, ein riesiges Geviert aus vier Palästen, das nicht einmal mit meinem Weitwinkel in seiner Gesamtwirkung zu erfassen ist. Alle Fassaden sind mit prächtiger Ornamentik geschmückt, die von Schlangen sowie wieder Masken des Regengottes Chaac dominiert werden. Sind in der Fassade der einen Seite große gefiederte Schlangen ineinander verknotet, ist das Ornament der anderen Seite streng geometrisch mit 52 in Linien stilisierten doppelköpfigen Schlangen, eine zentrale Zahl des alten Maya-Kalenders.
Just hier stoppt auch der Regen und ein kleiner Hauch von Sonnenlicht wärmt die Farben der Paläste, aber unsere Zeit ist abgelaufen, viel zu schnell, und wir besteigen wieder unsern Bus und düsen davon. Vorbei an Merida geht es nach Cuzamal, einem kleinen Dorf bei den alten Hennequen-Haciendas, wo im 18. und 19. Jahrhundert zur Zeit des Sisal-Booms große Plantagen der Sisal-Agave bewirtschaftet wurden. Ärmlich sind die meisten der kleinen Häuser und Hütten der Dörfer, durch die wir fahren. Die Enteignung der Haciendas in der Revolution brachte den einstigen Arbeitern allenfalls ein bescheidenes Auskommen. Heute verdienen sich die Dorfbewohner ein paar Pesos, indem sie Touristen auf von Pferden gezogenen, umgebauten Loren über die alten schmalen Gleise bis zu ein paar der hier häufig anzutreffenden Cenotes bringen.
Zu einem größeren dieser Wasseraugen laufen wir jetzt wenige Kilometer entlang der Gleise. Zum Glück hat es aufgehört zu regnen und es ist auch nicht mehr so kühl. Man sieht noch die alten Steinmauern der Hacienda und immer wieder stehen blau-grüne Sisal-Agaven mit ihren schmalen Blättern am Wegesrand. Die eigentliche Attraktion ist aber der Cenote, das Wasserauge selbst. Die unterspülte Kalkplatte ist eingebrochen und hat ein großes Loch mit anschließender Höhle gebildet, in das eine einfache Holztreppe etwa 10 Meter hinabführt, wo glasklares, türkis schimmerndes Wasser zu einem Bad einlädt. Jammerschade, dass ich meine Badesachen nicht mitgenommen habe.
Zurück zum Dorf geht es flott mit den Loren, die alten Gleise rattern und scheppern, die Lore schwankt und schaukelt, bleibt aber in der Spur, und bald sind wir zurück im Dorf. Noch ein paar Fotos von der kleinen gelben Kirche und den verfallenden Hacienda-Gebäuden, dann fahren wir wieder davon. Nur wenig später rollen wir schon durch die Außenbezirke von Merida bis in die Altstadt, wo wir in der Dämmerung noch einen kleinen Rundgang unternehmen, bevor wir das vorletzte Hotel unserer Reise beziehen.
Rechtzeitig brechen wir am Morgen Richtung Chichen Itza auf, um noch vor den Touristenmassen von den Karibikstränden dort anzukommen. Der Plan gelingt zwar, dennoch finde ich es ganz schön voll als wir dort eintreffen, ganz anders als in den abgelegeneren Ruinenstätten, die wir zuvor besucht haben. Trotzdem ist diese Anlage für mich wieder faszinierend, mit der dominierenden Pyramide des Kukulcan, der gefiederten Schlange, im Zentrum als Signatur und Wahrzeichen.
Wie uns unser Reiseleiter erläutert und an vielen Gebäuden und Reliefs zeigt, ist die gefiederte Schlange das beherrschende Motiv, mitgebracht von den Tolteken, die aus dem Hochland, aus der Gegend von Tula, hier eingewandert sind und einen Stil geprägt haben, in dem sich Elemente des Hochlands wie Quetzalcoatl, hier Kukulcan genannt, mit Elementen der Maya-Architektur wie dem Regengott Chaac verbunden haben. Die gefiederte Schlange ist omnipräsent, Schlangenköpfe bewachen die Treppenaufgänge zu Altären und Tempeln und winden sich um Plattformen, lange, doppelköpfige Schlangenkörper strecken sich entlang des Ballspielplatzes und verknoten sich in seinem hoch hängenden Zielring, immer wieder erkennt man das geöffnete Schlangenmaul mit herausschauendem Menschengesicht in den Reliefs, mächtige Säulen sind als Schlangenkörper ausgeprägt mit dem Schlangenkopf an der Basis und der abgeklappten Rassel am Kapitel, das den Architrav stützt.
Eigentlich haben wir viel zu wenig Zeit für die große Anlage, aber die wichtigsten Gebäude schauen wir uns an, wie die Kukulcan-Pyramide und den riesigen Ballplatz, wo ein gut erhaltenes Relief die beiden Mannschaften zeigt und in der Mitte, wie vermutlich der Anführer der unterlegenen Mannschaft enthauptet und so geopfert wird. Unweit des Ballplatzes zeigt auch die Schädelplattform überdeutlich ihren Zweck. Alle Steine der Wandverkleidung dieser mannshohen Plattform tragen das grobe Relief eines Schädels im Profil, ein unheimlicher Anblick.
Wir schauen uns den heiligen Cenote an, in dessen trübes, grünes Wasser Opfergaben, Gegenstände wie Menschen, geworfen wurden. Den Kriegertempel und den Tempel der 1000 Säulen sehen wir nur von Ferne, hoch oben auf der Plattform thront ein Chakmool, ein menschengestaltiger Opferstein, genau wie auf der Tempelplattform in Tula, und tatsächlich ist dieser Tempel ein Nachbau des entsprechenden toltekischen Tempels ebendort.
Dann müssen wir leider schon gehen, bis Tulum und dann Cancun, unserer letzten Station, ist es noch einiges an Strecke. Am späten Nachmittag kommen wir in Tulum an. Diese Maya-Stadt war noch bewohnt, als die Spanier in Mexiko ankamen. Es ist eine kleine Anlage, die wenigen Gebäude sind relativ klein und fast ganz schmucklos. Die spärlichen Reliefs zeigen den herabstürzenden Gott, vielleicht ein Gott des Blitzes, der kopfüber vom Himmel herab zu stürzen scheint. Ein Haus zeigt einen schön erhaltenen Kopf an den beiden vorderen Ecken, jeweils mit einem geschlossenen und einem offenen Auge, bei der man noch die Bemalung der Pupille sehen kann.
Die Zeiten müssen unsicher gewesen sein, denn auch Tulum ist auf der Landseite durch eine dicke Mauer geschützt, die mit Wehrtürmen versehen war und nur vier enge Tunnel mit Kraggewölben als Durchgang in die Stadt gelassen hat. Von der Qualität und Größe der erhaltenen Bauten bleibt Tulum weit hinter den anderen Stätten zurück, die wir gesehen haben. Aber der Charme liegt auch in der Lage hoch über dem türkisblauen Wassern der Karibik, und es ist wohl ein guter Schlusspunkt unserer Besichtigungen als eine oder die letzte bewohnte Maya-Stätte.
Die Fahrt nach Cancun entlang der Küste geht durch große Städte, gebaut für den Tourismus, und vorbei an großen Ressorts und allen Arten von Vergnügungsparks. Unser Strandhotel in Cancun hat eine schöne Lage zwischen Lagune und Meer, aber inmitten einer Hotel-Ansiedlung. Ich bin froh, dass ich keine Badeverlängerung gebucht habe, aber für unseren letzten Tag der Reise ist es ein gutes Domizil um faul einen freien Tag zu verbringen, im wunderschönen blau-türkisen karibischen Meer zu baden, letzte Einkäufe wie eine Hängematte oder einen Panamahut auf dem lokalen Markt zu tätigen, die Taschen für den Flug zu packen und noch einmal gemeinsam essen zu gehen.
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