Der Reiz Venezuelas liegt in der Verschiedenheit und Großartigkeit seiner Landschaften und Vegitation. Von den Hochgebirgslandschaften der Anden über die Flusslandschaften des riesigen Stroms Orinoco, der Gran Sabana mit den Tafelbergen, bis hin zu den Korallenriffs der Karibik, erwarten den staunenden Reisenden die unterschiedlichsten Eindrücke einer faszinierenden Geologie und Natur. So hat das auch der grosse Naturforscher Alexander von Humboldt empfunden, der das Land um 1800 bereiste und heute noch direkt neben dem anderen Nationalheiligen Simon Bolivar verehrt wird. ... mehr Fotos in der Bildergalerie |
Mein Get-Away über Weihnachten und Neujahr war diesmal Venezuela. Eher rein zufällig, weil eine gute Freundin fragte, ob ich mich ihr nicht anschließen wolle, von den venezuelanischen Tafelbergen habe man doch gehört, dass sie beeindruckend seien. Also buchte ich und kaufte mir 2 Wochen vor Abflug den empfohlenen Bildband über die Tafelberge, die sogenannten Tepuis. Da wurde mir erst klar welche fantastische Reise mich erwarten würde.
Vielfalt Venezuelas |
Unsere Tour beginnt mit einer Übernachtung bei Caracas auf Meeresniveau. Schläfrig hören wir nach einem langen Flug die Wellen an den Strand des Hotels schlagen und das Rauschen der Klimaanlagen in der Nacht. Aber schon am nächsten Morgen fliegen wir weiter nach Merida, in das Herz der venezuelanischen Anden auf 1600 m, von wo uns ein Jeep gleich bis über 3000 m zu unserem ersten Etappenziel bringt. Ganz idyllisch liegt die ehemalige Klosteranlage Los Frailes im Nationalpark Sierra Nevada.
Hier akklimatisieren wir uns mit einer kleinen Tagestour in der Umgebung zur Laguna Negra, aber schon der geringe Höhenunterschied von 500 m, der zu bewältigen ist, macht mir deutliche Mühe. Die faszinierende Hochgebirgslandschaft des Paramo und vor allem die fremdartige Vegetation lässt die Anstrengung schnell vergessen. Vorherrschende Pflanze ist die Espeletie, ein Korbblütler mit mannshohen gelben Blütenständen. 54 verschiedene Arten davon gibt es in Venezuela, die meisten im Andenbereich. Die silbrigen rosettenförmig angeordneten Blätter und hohen Blütenstiele sind mit dichtem weißlichen Flaum bedeckt, um die Pflanze vor der UV-Strahlung zu schützen. Unwillkürlich denke ich dabei an flauschige Hasenohren, und so ähnlich fassen sich die silbrigen Blätter auch an. Aber auch andere Pflanzen haben sich diesen UV-Schutz angeeignet, wie etwa die überdimensionalen violetten klebrig-behaarten Astern, tatsächlich ist es Asterngreiskraut. Ganze Hänge und Wiesen stehen voll von den grünsilbrigen Espeletien mit ihren gelben Blüten, dazwischen leuchtet das Pink des Asterngreiskrauts und eines heidekrautartigen Strauches. Manche Espeletien-Arten wachsen auf den abgestorbenen Rosettenblättern bis über mannshoch empor. Schlank mit den den etwas breiteren Schultern der lebenden Blattrosette und dem Blütenstand obenauf, erinnern sie im Nebel an Gestalten von Mönchen, was ihnen den Namen Frailejones - Riesenmönche - eingetragen hat.
Und obwohl ich am ersten Tag nur unter deutlichem Keuchen die Treppen zum Speisesaal erklimmen konnte, fühle ich mich nach zwei Übernachtungen der Besteigung des Pico Bolivar, des höchsten Berges Venezuelas mit 5002 m gewachsen. Unser Aufstieg fängt wieder weit unten im Tal an, führt uns durch subtropische Riesenfarne bis wir auf unserer ersten Station in einer Berghütte auf 3000 m wieder im Reiche der Espeletien angekommen sind. Von da wandern wir über einen kleinen Pass auf 4200 m wieder hinunter, diesmal über die Nordseite, die mit einem ariden Klima und vielen Kakteen einen völlig anderen Charakter hat. Ein Jeep bringt uns über enge Wege und Straßen wieder bis Merida, wo wir bei einem zünftigen Steakessen unsere Andentour ausklingen lassen.
Auf dem Weg zu unserer nächsten Station, der Gran Sabana, machen wir Station in Cuidat Bolivar, im Staat Bolivar, wo wir natürlich auch das kleine lokale Museum Bolivar besichtigen. Bolivar ist eine Nationalheiliger der Region, den neben Venezuela auch Bolivien und Equador für sich beanspruchen. Er war eine der herausragenden Persönlichkeiten im Freiheitskampf der Region gegen Spanien. Spuren seiner Wertschätzung sind in Venezuela auf Schritt und Tritt zu sehen, von der Benennung des höchsten Berges, einer Stadt, eines Teilstaates bis hin zur Währung.
Worauf ich mich bei Ciudad Bolivar am meisten gefreut habe, ist die Begegnung mit dem Orinoco. Schon als Kind träumte ich davon, einmal an diesem riesigen Fluss zu stehen oder gar mit einem Boot auf ihm durch den Urwald zu fahren. Letzteres steht nicht auf unserem Programm, aber allein das Flanieren an dem riesigen Strom, der eher wie ein großer See wirkt, ist ein Erlebnis. Und Flanieren ist unter allen Bewohnern der Stadt angesagt, Schulkinder in Uniform, Paare, Verliebte, Gruppen von Mädchen umschwärmt von den heranwachsenden männlichen Jugendlichen, Familien. Und daneben fließt träge der Strom im späten Nachmittagslicht, in dem sich Wolkentürme spiegeln. Hier ist auch die einzige Brücke auf 1000 km flussauf und flussabwärts, eine riesige Hängekonstruktion unter der der Strom 80 m tief ist.
Mit zwei kleinen sechssitzigen Maschinen geht es am nächsten Tag zur Gran Sabana in das Land der Tafelberge, Tepuis genannt. Lange fliegen wir über den riesigen Stausee eines Nebenflusses des Orinoco, aus dem viele Inseln hervorragen. Dann zwischen den Bäumen ein Urwaldfluss und kurz später, wenige Stunden nach dem Abflug, erspähe ich schon die ersten Tafelberge am Horizont. Während wir in das Gebiet einfliegen nehme ich staunend die wuchtige Präsenz dieser Monolithe in mich auf, mit dem von Urwald bewachsenen Fuß, der anschließenden Steilwand und der felsigen, planen und spärlich bewachsenen Oberfläche.
Und dann kommt unser Ziel der mit Spannung erwartete Auyan Tepui in Sicht. Ein riesiger Tafelberg von 700 Quadratkilometern Oberfläche, 2400 m hoch, ragt 2000 m aus der Savanne auf. Während wir am Rand entlang fliegen, quellen die Wolken dramatisch an den Steilhängen empor. Ein Erlebnis der Sonderklasse ist der Angel-Fall, der mit 1000 m höchste Wasserfall der Erde. Um uns eine gute Sicht auf dieses grandiose Spektakel zu ermöglichen fliegt unser Pilot einige Achten mit Steilkurven, bei denen er für die bessere Fotomöglichkeit auch noch die Pilotentür aufmacht, so dass wir durch die geöffnete Tür fast senkrecht hinunter blicken können - nix für schwache Nerven.
Wir landen am Fuß des Auyan Tepui in Kavac, einem kleinen Hüttenlager für Touristen. Um den Tag abzurunden machen wir noch einen Ausflug zu einer Klamm mit Wasserfall im Hang des Berges. Hier ist alles spannend, alles will ich sehen, bis hin zum kleinsten Sonnentau, vor dem ich mich in den Schlamm werfe um ein Foto dieser kleinen Fleischfresser zu machen. Der Fluss, der aus der Klamm kommt, hat ganz klares, aber von den Bodensäuren intensiv rostrot gefärbtes Wasser, teefarben wie alle Gewässer hier. Mit Freuden tummeln wir uns in diesem ungewohnt gefärbten Wasser, das man hier überall anders als sonst bedenkenlos trinken kann. Der Berg sorgt mit den regelmäßigen Steigungsregen für so viel Durchfluss in allen Bächen und Flüssen, zudem fehlt es an großen Tieren, die das Wasser verunreinigen könnten, dass Bakterien keine Chance haben. Die Klamm mit dem Wasserfall dahinter ist beeinduckend. Extra für die Fotografen sind alle Fotoapparate in ein Kanu verladen worden, so dass wir den Eindruck auf Bildern festhalten können, auch das Spritzwasser verewigt sich mit.
Am nächsten Morgen brechen wir zu unserer siebentägigen Trekkingtour auf den Auyan Tepui auf. Wir umrunden den Berg um dann zunächst in die Hochsavanne aufzusteigen. Steil aufwärts geht es über den ersten Hang bis wir oben auf der felsigen Kante auf die ersten Orchideenkolonien, Bromelien und weitere exotische Pflanzen treffen. Kurz darauf treffen wir in unserem Urwald-Camp ein, ein kleiner sandiger Platz am einem Fluss, wo wir in der Hütte wieder in Hängematten schlafen. Hier lassen wir am nächsten Morgen alles Überflüssige um mit so wenig Gepäck wie möglich den nicht ganz einfachen Aufstieg zu bewerkstelligen. Unsere nächsten beiden Lagerplätze werden unter großen Steinbrocken sein, so dass wir auch keine Hängematten mehr brauchen - zum Glück.
Was die Tafelberge für die Biologen so faszinierend macht, ist ihre Isoliertheit durch die große Höhe über der Savanne und die weite Entfernung zum nächsten Tafelberg, der einen ähnlichen Lebensraum bieten kann, sowie ihre extremen Lebensbedingungen für die Pflanzenwelt. Größere Tiere gibt es so gut wie keine. Wegen der felsigen Oberfläche gibt es kaum Humus. Der viele Niederschlag spült Nährstoffe zudem sehr schnell aus. Die Pflanzenwelt hat sich darauf angepasst mit einer Vielzahl fleischfressender Pflanzen, die sich so extra Nährstoffe sichern. Daneben gibt es ungezählte Arten von Bromelien und Orchideen, sowie viele weitere exotische Pflanzen, von denen viele auf dem jeweiligen Tafelberg endemisch sind, d.h. sie existieren in dieser Ausprägung nur auf diesem einen Tafelberg. Diese spezielle Entwicklung der Pflanzenwelt auf den Tafelbergen ist etwa vergleichbar mit der Entwicklung der Natur auf den Galapagos-Inseln, die ähnlich viele endemische Arten und Differenzierungen hervorgebracht hat. Daher werden die Tafelberge in dem beeindruckenden Fotoband auch "Inseln in der Zeit" genannt.
Am zweiten Tage geht es über die Hochsavanne unserem Aufstiegspunkt entgegen. Schon ist unsere Einstiegsstelle in Sicht, ein Kamin hinter zwei hohen Felstürmen die vor der 1000 m aufragenden Steilwand stehen. Ich bin fasziniert, aber da ich weiß, dass ich NICHT Freeclimbing gebucht habe, schreite ich mit Gottvertrauen dieser Herausforderung entgegen. Wir treffen auf die ersten archaischen Pflanzen, die es nur hier auf dem Auyan Tepui gibt. Durch den Urwald geht es über liegende Bäume und steile lehmige Pfade bergauf bis zum zweiten Lager, das wir unter einem riesigen Steinbrocken aufschlagen, etwa so groß wie ein mehrstöckiges Mietshaus. Es sieht schon etwas bizarr aus, wenn der riesige Klotz auf den paar Stecken zu lasten scheint, die wir als Gardarobe zwischen Boden und Stein klemmen. Abends haben wir pünktlich nach dem Abendessen noch ein großartiges Schauspiel von der steinernen Terrasse vor unserer Behausung. Blitze aus zwei näheren und drei entfernteren Gewittern zucken über den Nachthimmel und beleuchten dramatisch die Wolkentürme, während über uns die Sterne leuchten und sogar die eine oder andere Sternschnuppe zu sehen ist.
Heute ist der Aufstieg. Über und um große mit Flechten, Bromelien und Orchideen bewachsene Felsen geht es bergauf bis unterhalb der Steilwand, deren Oberkante sich in den aufquellenden Wolken verliert. Tatsächlich ist der Kamin hinter den beiden Felstürmen begehbar, da ihn kleine bis hausgroße Felsbrocken ausgefüllt haben. Über diese geht es mal auf allen vieren, mal auch mit Hilfe des Seils und interessanten individuell geprägten Klettertechniken. Wir sind mittlerweile in den täglich aufs neue quellenden Wolken. Wo die Felswände ein Fenster in die wogenden Nebel freigeben, können wir ahnen, dass sich teilweise nur einige Meter neben uns und den hüfthohen Bromelien der Abgrund nach unten auftut.
Ich kann mich noch gut an den Moment erinnern, in dem ich oben ankomme. Nun nicht mehr zwischen Steilwänden und Steinbrocken der Sicht beraubt stehe ich plötzlich auf dem Plateau aus schwarzem verkieselten Sandstein mit freiem Blick ringsum. Der felsige Untergrund ist großflächig gesehen fast plan aber durchzogen von großen und kleinen Rinnen bis hin zu schmalen aber tiefen schluchtartigen Einschnitten. In den Rinnen und flachen Senken steht Wasser und kleine Gruppen von Pflanzen haben sich angesiedelt und halten mit ihren Wurzel gemeinsam den kärglichen Humus fest. Ich bin tief ergriffen und fasziniert, laufe von Tümpel zu Tümpel, liege auf dem Boden um diese natürlichen Pflanzengestecke besser betrachten zu können, mache Foto um Foto. Nach der Mittagsrast geht es weiter zu unserem Tepui-Lager, ein etwa zierlicherer Steinblock als unser letztes Quartier, der sogar ein "Window with a View" bietet. Von hier aus erkunden wir am Nachmittag und Folgetag einzeln und in der Gruppe die nähere Umgebung, den auf breiten vom Wasser bunt gefärbten Steinflächen fließenden Auyan Tepui Fluss mit seinem Wasserfall, die fantastische Pflanzenwelt. Die Wege auf dem Tepui sind nicht gradlinig. Immer wieder müssen wir tief in eine kleine Schlucht von nur wenigen Metern Breite absteigen um auf der anderen Seite den Weg wieder fortzusetzen. Ab Mittag fangen die Wolken an über die Ränder des Tepuis zu quellen und am Nachmittag gibt es stets ein obligatorisches Gewitter mit Regenguss.
Da es nur einen bekannten Weg auf den Auyan Tepui hinauf gibt, gehen wir denselben Weg wieder hinunter, den wir gekommen sind. Dieser Weg ist schwierig und der Zugang zum Auyan Tepui ist nur mit besonderer Erlaubnis für Gruppen möglich. So haben wir auch während der gesamten Zeit nur drei Biologen auf Exkursion getroffen und konnten eine unverfälschte Natur ohne Spuren von Massentourismus genießen. Auf dem Weg hinab ergeben sich am Steilhang wieder dramatische Ausblicke an den Felstürmen mit den aufkommenden Wolken. Nochmal eine Übernachtung im Urwaldcamp und tags drauf schlafen wir schon wieder in den Hängematten des Hüttencamps am Fuß des Berges. Der Auyan Tepui verabschiedet sich mit einem gewaltigen Gewitter, das sich 2000 m über uns abspielt. Innerhalb von dreißig Minuten kann ich an der Kante hoch über uns zwölf neue große Wasserfälle ausmachen, über die sich das auf dem Plateau gesammelte Regenwasser in die Tiefe stürzt.
Am nächsten Tag holen uns die Flieger ab. Mit einem Flug um den Berg nach Canaima und dem Blick über die dortigen Wasserfälle hinauf zum immer noch gewittrigen Berg, verabschiede ich mich von diesem großartigen Erlebnis.
In dem kleinen Naturpark Mochima an der karibischen Küste erholen wir uns von den Strapazen der Tafelbergtour und kurieren unsere zahlreichen und vielfältigen Mückenstiche aus, die teilweise unverschämt jucken. Mit kleinen Booten fahren wir hinaus zu den Korallenbänken und kleinen weißen Stränden. Schnorchelnd lasse ich mich über die wundervolle bizarre Welt der Korallen treiben, folge bunten Fischen, staune über die Farben und Formen. Ein Highlight war auch, als wir einen Delphinschwarm begebnen. Rechts und Links am Boot vorbei flitzen die eleganten Tiere. Ein schöner erholsamer Ausklang für eine Reise voller Eindrücke und grandiosen Höhepunkten.
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