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Als ich erzähle, dass ich nach Sizilien fahren will, ist die Reaktion oft: "Warum denn Sizilien, das ist doch so weit". Und meine Antwort ist: "Ja gerade, deshalb fahre ich doch dorthin. Der Weg ist das Ziel". Außerdem ist Sizilien von München aus gesehen das Ende der Welt, wenn man nach Süden fährt, weiter geht es erst mal nicht. Und schon immer wollte ich mit meiner BMW R850R namens Anna Blume bis ans Ende der Welt fahren. Und als dritten und letzten Grund gibt es auf Sizilien und dem Weg dorthin ganze drei imposante Vulkane - Vesuv, Etna und Stromboli - alle drei aktiv bis sehr aktiv, die ich immer schon mal besuchen wollte.
Ich habe mir nicht ganz so viel Zeit wie Goethe genommen, bin dafür mit Anna Blume aber um einiges reichhaltiger mit Pferdestärken ausgestattet unterwegs gewesen. Und so nahm ich über Ostern 3 Wochen Urlaub, packte Anna Blumes Koffer, setzte mich drauf und fuhr los. Das Tor zum Süden war nicht der Brenner-Pass wie ursprünglich gedacht, sondern der Bernadino-Tunnel. Alternativ hätte sich nur noch der Gotthard-Tunnel angeboten, da zu der Jahreszeit die hohen Schweizer Pässe noch geschlossen sind und auf allen anderen möglichen Routen immer wenigstens ein hoher Pass zwischen mir und meinen südlichen Träumen lag.
Die ersten 400 Kilometer in strömendem Regen von München nach Bad Säckingen waren reines Durchstehvermögen. Ab da aber fing der Urlaub an u.a. mit der 4D-Prolog-Testfahrt am Sonntag und Dienstag morgen den 26. März 2002 bin ich bei strahlendem Sonnenschein gen Süden aufgebrochen.
Von Bad Säckingen geht es erst mal per Autobahn durch Zürich, entlang des Walensees bis hinter Chur. Langweilig? Nein! Das war eine prima Gelegenheit, die wunderschönen schneebedeckten Berge zu bewundern. Klasse und zügig zu fahren war auch die Strasse über Splügen zum Bernardino-Tunnel. Kurz vor dem Tunnel noch mal anhalten, den Moment genießen, den Schnee, die Sonne, die kalte Luft auf 1600 m vor dem Tunnel wahrnehmen. Dann durch den Tunnel und Eintauchen in das milde Klima des Lago Maggiore, vom Winter durch den Frühling bis in den Frühsommer. Am östlichen Ufer die kleine gelbe Straße entlang gebummelt mit vielen schönen Seeblicken, romantischen Orten, kleinen Villen, üppigen Gärten.
Danach rolle ich per rote Strasse zügig über Novara und Morato an Mailand vorbei. Ab Morato will ich eigentlich einkehren, verfranse mich aber total, bis ich bei Sonnenuntergang und Dämmerung über winzigste Sträßchen fahre, die rechtwinklig die Konturen der Reisfelder nachzeichnen. Das war eigentlich nicht geplant, aber wunderschön und ich genieße, auch wenn es langsam dunkel wird und ich die Hotelsuche in Italien noch nicht wirklich raushabe. Dann quert endlich eine größere Strasse und ich entschließe mich, nach Casale Monferrato zu fahren. Volltreffer: Nach ein paar Kringeln durch die Stadt stoße ich auf das Hotel Lion D’Oro, wo Anna Blume sogar einen sicheren Platz in einem vergitterten Kellerabteil findet.
Heute nur 350 Kilometer, trotzdem bin ich mit nur einer Pause von 9:00 bis 18:30, d.h. Einbruch der Dunkelheit gefahren: Kleine windige Strassen, selten mit gutem Belag, teils mit sehr schlechtem. Da jede Kurve die Qualität einer Kehre haben könnte, musste ich eine entsprechende vorsichtige Gangart wählen.
Erst geht es noch gerade und zügig durch die Po-Ebene, aber ein bischen langweilig eben auch. Durch die Berge Richtung Genua gefällt es mir gar nicht, der Eindruck war zerhackt und industriell. Erst ab Busala wird es besser, leider nur ein kleines Stück. Wirklich schön ist dann die Fahrt oberhalb von Cinque Terre, hinter Bracco über den kleinen Pass (Passo di Bracco, 615 m) gibt es dann auch zur Abwechselung einen niegel-nagel-neuen Stassenbelag, auf dem sich die Hunderte von Kurven dann auch schön einschwingen lassen. Die Küstenstrasse von Cinque Terre zu fahren oder auch auf das Kap raus spare ich mir, weil es eh schon so spät ist und mir klar wird, dass ich in dem Tempo nie nach Sizilien kommen werde, wenn ich auch noch jede kleine weiße Strasse mitnehme, die auf der Michelin-Karte so wunderschön ausschaut.
In La Spezia habe ich mich dann mindestens 2 mal verfranst. Als ich endlich auf der S63 bin, hänge ich ewig hinter einem Lastwagen ohne Chance auf der schmalen kurvigen Strasse zu überholen, da er fast die ganze Breite der Strasse einnimmt. Na ja, da hatte ich auch noch keine Übung im Überholen im italienischen Stil, sonst hätte das wohl schon anders ausgesehen. Endlich biegt er ab und die Landschaft drängt sich in den Vordergrund meines Bewusstseins mit einer überraschenden schönen Wildheit, ummantelt mit Frühlingslaub und -Blüten, teils bizarr felsige Berge mit Schnee drauf. Die kleine, schlängelige Strasse S445 führt bis Castelnuovo, leider fast immer schlechter Belag und unübersichtlich, aber eine Kurve nach der anderen.
Erst eine Stunde vor Dämmerung bin ich in Castelnuovo angekommen. Noch mal über den Passo di Radici hätte ich es bestimmt nicht mehr im Hellen geschafft. Schade, aber hierher kann ich ja leicht wiederkommen, wir sind ja immer noch weit im Norden Italiens. Außerdem liegt er auch überhaupt nicht in meiner Richtung. Lieber schau ich, dass ich wirklich meinem Ziel Sizilien näher komme. Das Zimmer das ich kurz vor Lucca finde ist eine Art Ballsaal mit angeschlossenem begehbaren Gefrierschrank - dem Bad. Letzteres scheint für Italien typisch zu sein.
Am Abend entschließe ich mich zu einer neuen Strategie, welche Vorwärtskommen mit Fahrspaß verbindet. Es ist doch nichts schöner als Prinzipien ("Ich fahr doch keine Autobahn") einfach mal über den Haufen zu werfen. Ich kann wirklich nicht jede tolle gelbe und weiße Strasse fahren, die ich auf der Michelin-Karte entdecke, so komme ich nie ans Ziel.
Ab jetzt kombiniere ich folgende drei Strategien:
Was soll ich zu Teil 1 sagen, langweilig aber zügig, bis auf den Stau auf der Florenz-Umgehung. Schnell zieht die Landschaft an mir vor bei: Der Lago Trasimeno schimmerte grün beim Vorbeifahren. Assisi ist beeindruckend in den Hang geklebt, pastellen-erdfarbene Häuserburgen übereinandergeschachtelt. Spello ist auf einen kleinen Berg getürmt mit einer krönenden Festungsanlage, dann kommt ein Tunnel und ich bin vorbei.
Teil 2 macht schon wirklich Laune, die Strategie passt. Die Via Famina von Spoleto bis Terni lässt sich flott schwingen, schnelle Kurven auf gutem Belag und genug Möglichkeiten zum Überholen. Ab Terni und Rieti sind die hohen schneebedeckten Berge der Abruzzen zu sehen, darunter müssen die Gipfel des Gran Sasso Massivs sein mit der höchsten Erhebung des Apennin beim Corno Grande mit 2912 m. Hinter Rieti windet sich die Strasse in engen Kurven und Kehren auf eine Hochebene hinauf bis auf 1005 m. Es ist schon recht frisch, aber noch nichts gegen die Temperaturen, die mich später im Parco Nazionale d’Abruzzo erwarten. Dort hatte es nur etwa 3 Grad, höchstens.
Teil 3 hat den größten Spaß gemacht, insbesondere die kleine schlängelige gelbe und weiße Strassen S5b und S5bis von Aquila über Rocca di Cambio, Rocca di Mezzo nach Celano. Bestimmt 20 Tornanti auf der S5bis in winterlicher Landschaft bis auf 1433 m in Rocca die Cambio, ich allein unterwegs, guter Belag, Biker-Herz was begehrst du mehr?
Na ja, um halb sieben ist dann wieder Schluss, da die nächsten 100 Kilometer gelbes Geschlängel durch die Abruzzen nicht mehr vor Dunkelheit zu schaffen waren. Die hebe ich mir also voller Vorfreude für den nächsten Tag auf. Noch ein Foto von Celano mit seiner Festung, das bei der Abfahrt vom Hochplateau in den Blick kommt, malerisch in den Hang gebettet mit einer krönenden Festung, dramatisch beleuchtet von den letzten Strahlen der Sonne.
Das ist etwas, woran man sich gewöhnen kann und muss und was dann auch noch wirklich Spaß macht.
Das Auffälligste ist vielleicht das Überholen. Italiener müssen ein besonderes Gen dafür haben - und ein besonderes Bedürfnis. Egal wie, wo und wann: es muss überholt werden. Der durchgezogene Mittelstrich wird als eine ganz normale Straßenunterteilung ohne irgendeine weitere Bedeutung empfunden, ein doppelter Mittelstrich allenfalls als gut gemeinte Empfehlung. Überholen im Tunnel? Kein Problem, auch wenn Italiener gerne ohne Licht auch durch eine unbeleuchtete Galleria fahren. Überholverbotsschilder sind reine Straßenmöblierung und werden komplett ignoriert.
Das gilt aber auch für Geschwindigkeitsbeschränkungen, die - zugegebener Maßen - teils unverständlich sind und reichlich überzogen scheinen, ab und an aber auch mehr als gerechtfertigt sind. Wer bei Temo-50-Limit nicht wenigstens 80 bis 100 km/h fährt, ist ein echtes Verkehrshindernis und gefährdet sich und andere. Ab und an, wenn auch selten, sind Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder aber auch mehr als gerechtfertigt und bitter ernst gemeint, etwa wenn tatsächlich hinter einer Kurve unvermittelt die Strasse fehlt und das Hindernis auf einer kleinen verwegenen Umleitung mit viel Fahrgeschick zu umschiffen ist. Darauf muss man vorbereitet sein, das schult Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen und macht das Fahren auf Italiens Strassen noch interessanter.
Was ich am wenigsten mochte an den italienischen Straßen waren immer wieder auftretende Einlegearbeiten in der Mitte des Fahrstreifens. Wie das wohl kommen mochte? Ich tippe auf nachträgliche Kanalarbeiten, bei denen mittig 40 cm Straßendecke weggeschlitzt werden, dann wird aufgebuddelt, verlegt, verfüllt aber nicht richtig verfestigt und mit 60 cm Asphaltband wieder zugekleistert. Resultat ist eine Art Mega-Spurrille, aber in der Mitte des Fahrstreifens mit teigartigen Asphaltwulsten auf dem alten Belag zur Rechten und zur Linken der Einsenkung. Und das genau wo ich fahren will, nicht nur in Ortschaften, sondern auch durchaus streckenweise auf Landstrassen mit dem besonderen Genussfaktor für die Kurvenlage.
Italiener haben auch ein ganz natürliches Gefühl für den richtigen Abstand. Lasse ich deutsch-korrekten Sicherheitsabstand, sind sie kaum zu bremsen diese sich dadurch ergebende gähnende Lücke umgehend durch entschlossenes Überholen wieder zu füllen und die rechte Dichte im Verkehrsfluss wieder herzustellen.
Gewöhnt man sich an italienische Geschwindigkeitsübertretungen und Überholgewohnheiten, fährt man zügig und mit Spaß und dabei erstaunlich sicher, da alle Verkehrsteilnehmer diesen Stil beherrschen und darauf eingestellt sind. Ich will nur nicht wissen, was die italienische Polizia zu einer Deutschen sagen, die italienischen Stil fährt. Aber bei meinen Begegnungen mit ihnen am Verkehrskontrollengroßkampftag ist es ihnen immer nur um meine Fahrzeugpapiere, ggf. noch den Führerschein gegangen.
Auf alle Fälle muss ich mir diesen Fahrstil in Deutschland schleunigst wieder abgewöhnen, sonst bin ich schnell meinen Lappen los. Eigentlich schade, der Überholstil hatte wirklich viel für sich.
Ein schöner Tag - perfekt, wenn ich nicht noch zu guter Letzt vor dem endlich im Dunkeln nach ca. 5-7 Stadtrundfahrten in Vallo gefundenen Hotel Anna Blume direkt vor der Hofeinfahrt geschmissen hätte. Tut mir leid Anna. Aber von vorn:
Der schönste Teil der Strecke ist für den Vormittag geplant. Hinein wieder mit Wonne über kurviges Gelb in den Nationalpark der Abruzzen. Durch malerische Schluchten, höher und höher bis tief wieder in das winterliche Weiß hinter Scanno auf dem Godi-Pass auf über 1500 Meter. Vorsichtig in die Kurven gehen ist angesagt, da zwischen den aufgeschobenen Schneewänden hier und da noch eine Schneeplatte in den Kurven die Fahrbahn zudeckt. Und kalt ist es, Winter eben. Schön wie es war, bin ich doch froh, dann tiefer unten wieder in den Frühling und wärmere Luftschichten einzutauchen.
Danach ist wieder Strecke machen und Großraum durchqueren angesagt: Per Autostrada nach Napoli, schnell noch einen Abstecher zum Vesuv hinauf. Kleine enge Strassen führen durch Wohnviertel höher und höher, die Straße windet sich in einigen super engen Kehren, gewinnt freies Feld und führt hinauf bis zu einem Parkplatz, wo mich die Ansammlung der Touristenbusse und -Buden inclusive der -Scharen schnell wieder in die Flucht schlagen. Umkehren, wieder runter, noch mal dem Vulkan winken und rasch wieder per Autostrada der Großstadt in Richtung Hinterland entfliehen.
Zuvor will ich aber noch einen Abstecher nach Paestum zu den griechischen Ruinen machen. Wunderschön in hellgrünem Rasen zwischen dem Dunkelgrün von Zypressen und Pinien und dem dunklen Pink der blühenden Judasbäume liegen die Überreste der Tempelbauten da, trotz der vielen Touristen Ruhe ausstrahlend. Leider kann ich nur den Blick durch den Zaun genießen, da die Außenanlagen bereits abgeriegelt sind. Schade, aber trotzdem den Besuch wert.
Dann noch etwas Strecke machen nach Vallo di Lucania. Eine Abfahrt zu früh führt mich in der Dämmerung ein schönes weißes Sträßchen in klasse Kurven durch die lieblichen Hügel und Berge, geschmückt mit dem zarten Grün des jungen Laubes und dem kraftvollen Pink der blühenden Judasbäume.
Als ich in Vallo ankomme ist es schon fast dunkel und mit Gewalt will ich hier auch ein Hotel finden von dem meine Karte behauptet, dass es existiert. Nach einigem Kreisen gelingt mir es auch. Uff, bin ich froh, dass das Hotel offen hat und auch noch ein Zimmer für mich frei ist. Abends sitze ich mit der Familie in einem Ballsaal von Speisesaal, nur ein Tisch besetzt, nämlich meiner. TV im Großformat läuft, daneben brennt der Kamin, an den die beiden Alten ihre Stühle geschoben haben. Irgendwie breitet sich heimeliges Vorsaison-Gefühl bei mir aus. Nach der genossenen Halbpension bin ich völlig abgefüllt, dabei habe ich doch sogar schon den Nachtisch verweigert. Täglich kann ich solche Mengen nicht in mich hineinstopfen, aber ich hatte den ganzen Tag ja auch nur ein Brötchen am Morgen.
Aufgebrochen in Vallo habe ich mich gleich auf die S18 gesetzt, eigentlich fälschlicher Weise, weil ich doch auf die rote Straße wollte, die aber erst an der Küste zur S18 wird. Es erweist sich aber als ein vorzüglicher Fehler, weil die junge S18 sich als kleine weiße Strasse fast ganz ohne Verkehr durch die Berge schlängelt: 80 Kilometer die nur so eine Lust waren, Fahrspaß pur. An der Küste dann ab Sapri auf den ersten 40 Kilometer eine atemberaubende, teils in den Fels gehauene Küstenstraße, die sich in schwindelnder Höhe über dem Meer am Fels entlang windet. Der Rest der S18 ist zügig zu fahren, selten nur wieder annähernd so schön wie auf den ersten Kilometern. Dazwischen einige Ferien-Geisterstädte, völlig verlassen, eben Vorsaison.
Imposant sind die Serpentinen von der Höhe runter nach Bagnara Calabra. Was auf der Karte wie ein verschlungener roter Knoten ausssah entpuppte sich auch als ein solcher. Eine Kehre nach der anderen windet sich die Straße durch die Häuser in die Tiefe, enger und enger, um an einer Stelle unter einem schönen steinernen Bogen unter der gerade gefahrenen Trasse durch zu tunneln. Ähnlich eng ist es auch kurz darauf in Scilla, dem Ort wo Odysseus zwischen Scilla und Charybdis zu entscheiden hatte. So schlimm ist es bei mir nicht, aber mein Benzin ist fast alle und ich brauche dringendst eine Zapfsäule, die ich nach einigem Zirkeln in den engen Gassen der Oberstadt auch auffindig machen kann.
Und dann rolle ich auch schon in Villa S. Giovanni ein und kann das heiß ersehnte Sizilien sehen: Nix wie rauf auf die Fähre und hinüber auf die Insel der Sehnsüchte. Im Samstagabendverkehr von Messina habe ich schon ganz das Feeling für den italienischen Verkehr. Alle fahren kreuz und quer nach Gefühl im Gewühl und ich mitten unter ihnen. Aber merkwürdig ist, dass ich einfach kein Hotel erspähen kann, hab dann einfach das erste auf der langen Ausfallstraße genommen, das mir untergekommen ist, auch wenn es eins einer blöden amerikanischen Hotelkette ist.
Oh wie war der Ostersonntag schön. Ausgeschlafen verlasse ich Messina Richtung Norden und bummle entlang der Küste nach Milazzo um erst mal zu organisieren, wie der Trip nach Stromboli klappen könnte. Der Morgen ist frisch, das Meer blau und vor allem Gruppen von sportiven Radfahrern sowie einige Sonntagsfahrer unterwegs. Von Milazzo gehen die Fähren auf die eolischen Inseln, täglich dreimal wird auch Stromboli bedient. Das Tourist-Info ist geschlossen aber diese wesentlichen Informationen habe ich befriedigt dem Aushang entnommen und beschlossen, mich dann am Abend in Milazzo häuslich niederzulassen und bis dahin eine kleine Nachmittagstour zu unternehmen.
Diese wurde dann ein wirkliches Highlight. 250 SUPER-kurvige Kilometer auf der gelben S185 in fantastischer bergiger Landschaft und meist nichts als die nächsten 10 bis 20 Kurven vor Anna Blumes Vorderrad. Als ich von der Passhöhe Portella Mandrazzi (1125 m) der Küstenbergkette herunterkomme und um eine weitere Kurve zirkele, liegt plötzlich und mit beeindruckender Präsenz der Etna vor mir: groß und gewaltig, schneebedeckt und rauchend. Dieser Anblick! Dieser Berg! Dieser Vulkan!
Am nächsten Tag will ich dann auch wirklich die Straßen den Berg hinauf erkunden. Für heute begnüge ich mich mit dem Anblick der großartigen Nordflanke und schließe die Runde meiner Nachmittagstour zunächst über die S120 nach Randazzo, immer im Anblick der riesigen 2600 m hoch aufragenden Bergflanke, die von hier fast in ihrer vollen Höhe (Gipfelhöhe 3340 m) sichtbar ist. Dann geht es von Randazzo wieder über die Berge und die Portella di Zoppo (1264 m) wieder zurück zur Küste bei Capo d’Orlando. Die rote S16 ist fast genau so schön zu fahren wie die gelbe S185, und ab Capo die Küstenstraße S113 ebenfalls toll zu fahren bis Terme Vigliatore. Die paar Sonntagsfahrer waren schnell im italienischen Stil überholt und Anna Blume kann ohne störende Bummler vorne dran das freie Schwingen voll auskosten. Aufmerksamkeit ist aber durchaus angebracht, da die Straßenführung in einigen Orten doch wirklich abenteuerlich ist und immer mal wieder die eine oder andere Überraschung parat hat.
Mit Vorfreude auf den folgenden Tag beschliesse ich die Nachmittagstour wieder in Milazzo. Nach anfänglichen Irritationen weiß ich jetzt auch wieder genau, warum ich nach Sizilien gekommen bin.
Ostermontag ist ganz dem Etna gewidmet. Hin und zurück fahre ich meine auserkorenen Lieblingsstraßen S185 und S113 wie schon am Ostersonntag. Dann erst rauf auf Etna-Nord, runter nach Etna-Ost, rauf über Etna-Süd und wieder hinab zur Ostseite, die kleine Straße nach Linguaglossa, halb um den Berg bis Randazzo und wieder über S185 und dann S113 zurück.
Was soll ich sagen, wunderschön war es, wenn auch wegen Ostern tausende von Italienern zum Picknicken unterwegs waren. Groß und Klein fährt zu solchen Anlässen offenbar ins Grüne und lässt das Auto egal wie am Straßenrand stehen, egal wie eng oder unübersichtlichen es ist. Also heißt es verstärkte Aufmerksamkeit, da auch dann gleich ganze Grüppchen von Picknickern mal auf der Straße stehen und ein Schwätzchen halten. Mancherorts herrscht wirkliche Volksfeststimmung. Die meisten Autofahrer aus der Nähe sind in relaxter Sonntagsstimmung und so langsam, dass ich hinter ihnen teils wirklich Angst haben muss in der Kurve mangels Vorwärtsbewegung einfach umzufallen. Aber immerhin sind sie dann auch leichte Beute für kurze Überholmanöver.
Der Etna ist wieder prachtvoll und beeindruckend. Die Nordseite irgendwie schöner, unberührter, frischer, auch wegen dem Schnee und weiter oben dann den hellen Birkenstämmen, die zusammen mit den Schneeflecken wundervoll leuchteten. Auf der Südseite ist der Vulkancharakter deutlicher, es ist aber auch mehr Betrieb. Die vielen Ausflügler an der Seilstation machen mich erst glauben, die Straße sei hier zu Ende. Tatsächlich führt sie aber weiter, mitten hindurch durch das Volksfest und lässt mich meine Flucht zur anderen Seite hin antreten. Alle Strassen auf den Etna rauf und runter wie auch meine Lieblingsstraßen S185 und S116 sind durchweg guten bis sehr guten Belag gesegnet. Angeblich kommt das bei den Straßen direkt am Etna daher, dass der Belag nach jedem Erdbeben und zerstörerischem Ausbruch erneuert wird. Erwischt man einen etwas ruhigeren Tag als gerade den Ostermontag, lassen sich die schön gezirkelten Kurven und Kehren dieser Straßen bestimmt mit großer Wonne in den schönsten Schräglagen durchqueren.
Auf der Rückfahrt über die Küstenbergkette sehe ich auf einmal über den Dunst des Meeres eigenartige dunkle Hüte aufragen. Das sind die eolischen Inseln, die sich zum Teil fast 1000 m über den Meeresspiegel erheben. Bestimmt ist eine davon auch Stromboli, das Ziel des morgigen Tages. Aber dies ist eine eigene Geschichte, da ich diese Fahrt auch ohne Anna Blume unternommen habe, die derweil sicher in einer kleinen Garage wohlbehütet in Milazzo auf mich warten musste.
Auf Stromboli wegen Sturmtiefs festsitzend hatte ich schon die schönsten Pläne für meine letzten drei Tage Sizilien und die Rückfahrt durch den Stiefel geschmiedet. Etwas Landesinneres bei Enna, schöne Städchen wie Erice ganz im Westen, griechische Tempel in Agrigento und Segesta, vielleicht noch mal das Ende der Welt auf dem Südzipfel und dann wieder durch den Stiefel, Gargano, Abruzzen und Umbrien zurück. Aber es sollte anderes kommen.
Donnerstags früh hat sich das Meer beruhigt, die Fähren verkehren wieder und ich nehme direkt die erste kurz nach 7:00, da der nächste Sturmtief-Wirbel schon angekündigt ist. Bei schönstem Sonnenschein noch ein paar Abschiedsbilder von Stromboli, noch mal die Seeluft bei der Überfahrt genießen, Anna Blume aus der Garage abholen, draufschwingen und auf geht es wieder die Küste entlang Richtung Westen, wo ich dann irgendwann auf die schönen Nebenstraßen in Richtung Enna abbiegen wollte.
Aber das Wetter macht mir einen Strich durch die Rechnung. Während es in Milazzo noch ganz gut aussieht, zieht es sich entlang der Küste immer mehr zu. Dicke dunkle Wolkenbänke schieben sich über die Bergkette und hängen drohend über der Küste. Und aus diesen fängt es erst an zu tröpfeln, dann zu regnen und schließlich zu gießen bis hin zu anhaltendem Platzregen. Wasser läuf in Strömen über die Straßen und sammelt sich in großen Lachen. Pitschnass rette ich mich in eine Bar in Capo d’Orlando, trinke einen Capuccino nach dem anderen, während sich der Regen draußen gar nicht mehr beruhigen will. Intensiv studiere ich in der Lokalzeitung die Wettervorhersage für die nächsten Tage und entnehme dieser mit meinen rudimentären Italienischkenntnissen schlechte Prognosen für Sizilien in den nächsten 3 Tagen und dann auch miserables Wetter den Stiefel hoch in den Tagen darauf.
Der Regen draußen nimmt kein Ende, schwankend zwischen Bindfäden und Wolkenbruch. Da beschliesse ich, Plan B in Kraft zu setzen: Ich ziehe die nassen Klamotten wieder an, streife den Regenkombi drüber und fahre durch Regen- und Kaltfront per Küstenstrasse und Autostrada schnurstracks nach Palermo, schlängele mich dort durch den Abendverkehr zum Hafen, und kaufe ein Ticket für die Fähre nach Genoa. Kurz nach 20:00 kann ich Anna Blume auf dem Autodeck der Excelsior von den Grimaldi Lines verstauen, mir selbst in einer komfortablen Kabine eine heiße Dusche gönnen, gediegen essen gehen und mich von den hohen Wellen des Sturmtiefs in den Schlaf schaukeln lassen. Tatsächlich kann man schneller (Dauer 20h) oder billiger (Kosten Motorad+Einzelkabine=225 EURO) nicht selbst fahren und die Fähre ist äußerst komfortabel, wie ein schwimmendes First-Class Hotel mit angeschlossenem Vergnügungsviertel.
Trotzdem war es natürlich viel schöner und die wesentlich größere Reiselust, selbst auf Anna Blume durch den Stiefel gen Süden zu brausen. Und in ein paar von den schönen Landschaften wie Umbrien und den Abruzzen bin ich bestimmt nicht zum letzten Mal umhergefahren. Allerdings werde ich dort nicht wieder im Frühjahr hinfahren, sondern Sommer oder Frühherbst, wenn die Temperaturen dort angenehmer sind. Und auch den Vulkanen Vesuv, Etna und vor allem Stromboli werde ich bestimmt wieder einen Besuch abstatten.
Und tatsächlich bin ich 2007 an Pfingsten wieder durch den Stiefel nach Sizilien gefahren, diesmal mit mehr Glück beim Wetter, und bin mit vielen Eindrücken aus Sizilien zurückgekehrt. Hier lest ihr, wie es mir diesmal ergangen ist:
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